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H. S. Eglund

Schriftsteller • Writer • Publizist

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© Elizabeth Butler
  • Afghanische Freischärler greifen die britischen Expedionstruppen auf ihrem Rückzug durch den Hindukusch an. © promo
  • Letztes Aufgebot: Heroisierende Darstellung der britischen Niederlage bei Gandamak. © William Barnes Wollen
Samstag, 22. Mai 2021

Das Trauerspiel von Afghanistan

Theodor Fontane schrieb 1859 diese Ballade. Er hielt sie für eine heroische Episode in exotischer Ferne. Er irrte. Vor den Briten hatten sich die Griechen, Perser und Inder die Zähne an den Stämmen des Hindukusch ausgebissen. Nach ihnen versuchten es die Osmanen, die Briten, die Sowjets und die Amerikaner. Sie bombten das Land ins Mittelalter zurück. Ohne Hoffnung?

Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
„Wer da!“ – „Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan.“

Afghanistan! er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Commandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Als Theodor Fontane diese Ballade im Jahr 1859 dichtete, stand das britische Weltreich beinahe im Zenit seiner Ausdehnung. Fontane machte das Debakel aus dem ersten anglo-afghanischen Krieg (1839-1842) zum Thema seiner Reime, von dunklem Heroismus durchdrungen. Exotische Bergvölker auf der einen Seite, heldenhafte englische Truppen auf der anderen:

Sie führen in‘s steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er athmet hoch auf und dankt und spricht:

„Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Cabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verrathen sind.“

Fontane war nie in Afghanistan gewesen. Kein Wunder, galt es zu seiner Zeit doch als Rand der Erde. Zwischen Persien und Indien gelegen, bietet das Land nur im Süden fruchtbares, flaches Terrain. Im Norden und Osten liegt das unwegsame Gebirge des Hindukusch wie ein Sperrriegel. Daran war schon Alexander der Große gescheitert.

„Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all’,
Sir Robert sprach: „Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.“

Mitte des 19. Jahrhundert war Afghanistan ein lockeres Königreich, dass die vielen verschiedenen Stämme unter paschtunischer Hoheit vereinte. Die Briten waren eingefallen, weil sie Angst vor den Russen hatten.

Denn nördlich des Hindukusch waren Zarenregimenter aufgetaucht, die möglichweise ein Auge auf das reiche Indien geworfen hatten. Schon Zar Peter der Große hatte es auf einen Hafen am Indischen Ozean abgesehen, weil Russlands Buchten in Nordeuropa und im Baltikum allesamt vom Eise bedroht sind.

Mitte des 19. Jahrhunderts erwies sich diese Furcht zwar als unbegründet. Dennoch rückten die Briten ein und überzogen das Land mit Krieg. Doch so einfach wie in Indien verlief diese militärische Expedition nicht. Zwar ist der flache Südteil des Landes mit Truppen relativ gut zu beherrschen. Die hohen, eisigen Pässe und die Berge jedoch, gehörten wilden Stämmen. Sie kannten das Terrain wie ihre Westentasche, nutzten geschickt seine Vorteile.

Und vor allem: Sie wussten, wie man den erbarmungslosen Winter im Hindukusch übersteht. Dann werden die Täler und Gipfel mit Schneemassen und Orkanen überzogen.

„Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So laßt sie’s hören, daß wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimath und Haus,
Trompeter, blas’t in die Nacht hinaus!“

Da huben sie an und sie wurden’s nicht müd’,
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Der Hindukusch schwingt sich bis 7.700 Meter hoch, er zieht sich im Osten bis ins Grenzgebiet zwischen Pakistan und China. Faktisch bildet er den westlichen Ausläufer des Himalaya. Hindu-kusch steht für Hindu-Mörder, ein Begriff, den der Arzt Ibn Battuta auf seinen Wanderungen prägte. Battuta war ein Zeitgenosse von Marco Polo, ihm waren die vielen Hindu-Sklaven in der Region aufgefallen.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.

Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.

Die erste neuzeitliche Auseinandersetzung der Afghanen mit einer westlichen Großmacht endete im Fiasko: „Im Dezember 1841 begann sich die britische Garnison mit rund viertausend Soldaten, begleitet von nahezu dreimal so vielen Frauen, Kindern und afghanischen Bediensteten durch den Schnee und über die Bergpässe zurückzuziehen”, schrieb Winston Churchill achtzig Jahre später in seiner History of the English-Speaking Peoples. „Fast alle wurden ermordet oder versklavt. Nur ein einziger Überlebender erreichte Indien, am 13. Januar [1842].”

Im darauffolgenden Jahr wurde eine Strafexpedition geschickt, um die britische Ehre wiederherzustellen – durch brutale Massaker. Danach blieb Afghanistan – wie Indien und das spätere Pakistan – unter britischem Einfluss. Ausgenommen der Hindukusch, der wie eine uneinnehmbare Festung nördlich von Kabul thronte – und noch immer thront.

Das Ende des britischen Imperiums

Das britische Imperium bekam Risse, als der Erste Weltkrieg zu Ende ging. Im mittleren Osten wurde die politische Karte völlig neu gezeichnet. Der Aufstand der Araber gegen die Osmanen wurde zwar von Lawrence von Arabien und der Armee von General Allenby genutzt, um bis nach Mossul, Basra und Damaskus vorzustoßen. Doch konnten die Briten nicht verhindern, dass ihr Einfluss in der Region zwischen dem Mittelmeer und Indien schwand.

Neue Königreiche entstanden: Saudi-Arabien, Irak, Syrien und Jordanien. Der Iran war durch seine Ölvorräte eng mit den Engländern verbunden, die seit 1911 ihre Flotte auf moderne Ölkessel umgestellt und gemeinsam mit den Persern die Ölförderung in Schwung gebracht hatten. Afghanistan lag damals im Schatten sowohl des Iran, als auch Indiens.

Mit dem Zweiten Weltkrieg brach das britische Weltreich endgültig zusammen. Iran und Saudi-Arabien stiegen zu regionalen Großmächten auf, finanziert durch den Ölhunger Europas und Amerikas. Indien erreichte 1949 die Unabhängigkeit.

Auch in Afghanistan herrschten wieder die einheimischen Eliten der Paschtunen. In den 1950er und 1960er Jahren galt das malerische Land als Mekka der Globetrotter und Kiffer, weil auf den Feldern Schlafmohn (Opium) und Cannabis blühten.

Ähnliche Konflikte wie im Iran

Das änderte sich mit der zunehmenden sozialen Spaltung der afghanischen Gesellschaft. Wie im Iran bildete sich eine sehr vermögende Oberschicht heraus, der Millionen ärmster Bauern gegenüber standen. Eigentlich ist das Land am Hindukusch reich an Bodenschätzen, Wasser und fruchtbaren Äckern.

Die wirtschaftliche Entwicklung wurde durch den omnipotenten Handel mit Opium und Haschisch jedoch verzögert. Auch blieb die jahrhundertelange Unterdrückung der Landbevölkerung unverändert. Nur wenige Straßen und Eisenbahnen wurden gebaut. Vor allem im gebirgigen Norden und im Osten blieb die Lage prekär.

Die sozialen Probleme riefen die sozialen Erweckungsbewegungen des 20. Jahrhunderts auf den Plan: religiöse Gruppen oder Fundamentalisten nach sowjetischem Vorbild. Indien versuchte unter Gandhi und Neru einen eigenen Weg. Pakistan rutsche in eine islamisch geprägte Militärdiktatur ab.

Briten und Sowjets fielen gemeinsam ein

Der Iran musste Anfang der 1940er Jahre eine gemeinsame Invasion britischer und sowjetischer Streitkräfte erdulden. Denn Reza Schah Pahlavi hatte mit den Nazis geliebäugelt. Er wurde 1941 gewungen, abzudanken und den Pfauenthron an seinen Sohn Mohammad Reza Pahlavi zu übergeben.

In den 1960er und 1970er Jahren konnte sich der Schah nur halten, weil er ein grnadenloses Regime gegen seine Feine führte. Islamistische und kommunistische Fundamentalisten ließ er gleichermaßen foltern und hinrichten, die Bevölkerung außerhalb Teherans hungerte.

Die Amerikaner unterstützten ihn, denn der Iran war eine Großmacht des Ölzeitalters. Aus historischen Gründen standen die Perser den Arabern feindlich gegenüber, die ihre Ölquellen als Druckmittel gegen den Westen einsetzten.

Schocktherapie für den Westen

Der Ölschock von 1973 fuhr dem Westen so tief in die Knochen, dass er über die Gräueltaten der iranischen Geheimpolizei großzügig hinwegsah. 1975 kam der nächste Schock: In Saigon wehte die rote Fahne, der Vietminh warf die amerikanischen GIs aus dem Land.

Und dann 1979: Das verhasste Regime des Schahs von Persien brach zusammen, Ajatollah Chomeini kehrte aus dem französischen Exil zurück und errichtete die islamische Republik. Der letzte Schah überlebte die Revolution um ein Jahr, er starb 1980 in Kairo.

Die Geburt der Mudschahidin

Ein neuer Schock für den Westen: Chomeini wandte sich gegen die USA, die den Irak unterstützten. Saddam Hussein wollte das Chaos in Teheran ausnutzen und überzog den ölreichen Iran mit blutigem Krieg, der mehr als zehn Jahre dauern und mehr als eine Million Menschenleben fordern sollte.

Nun rückte Afghanistan in den Blickpunkt, die letzte Bastion der CIA in dieser Region. Dort hatten sich die sozialen Konflikte so weit verschärft, dass kommunistische Kräfte die Oberhand gewannen.

Nach Syrien oder Vietnam drohte auch Afghanistan ins Lager der Roten abzudriften. Zbigniew Brzezinski, gebürtiger Pole und Feind der Sowjets, war damals der Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter. Er empfahl, die aufsässigen Stämme gegen die sowjetfreundlichen Kräfte in Kabul mit Waffen und Geld zu unterstützen.

Die Sowjets verloren die Nerven

Brzezinski hatte die Region südlich der sowjetischen Grenze als Soft Underbelly bezeichnet, als weichen Unterbauch der Kommunisten. 1978 kam eine politische Gruppierung per Staatsstreich an die Macht, die sich an den Ostblock anlehnte. Sie plante eine Bodenreform und wollte wichtige Wirtschaftszweige verstaatlichen.

Dagegen lehnten sich eine starke Oberschicht auf, die sich unter der grünen Fahne des Propheten sammelte. Sie wollte verhindern, dass Afghanistan zu einem säkularisierten Staat nach dem Vorbild Syriens oder des Irak wurde. Ein Bürgerkrieg brach aus, an der bis zu 30 Mudschahidin-Gruppen beteiligt waren.

Die bedrohte Regierung in Kabul forderte sowjetische Militärhilfe, die Moskau zunächst verweigerte. Man fürchtete den Verlust von außenpolitischem Prestige. Das Debakel der Invasion in der Tschechoslowakei im Jahr 1968 hatte die Sowjets nahezu alle westlichen Verbündeten gekostet. Die kommunistischen Parteien in Frankreich, Italien, in Großbritannien und den USA waren auf Distanz gegangen.

Die Ängste des KGB

Doch wuchs die Angst des KGB, dass sich Kabul an die Amerikaner wenden könnte, um dort die ersehnten Waffen zu bekommen. Denn Zwischenzeitlich war die prosowjetische Riege in Kabul entmachtet und durch konservative Kräfte ersetzt worden. Ihr Vormarsch konnte die islamischen Völker in Usbekistan, Kasachstan, Turkmenien und Tadschikistan anstecken. Zudem lockte der Zugang zum Indischen Ozean.

1979 war nicht nur das Jahr der iranischen Revolution. Es markierte auch den Tiefstand der Beziehungen zwischen der Nato und dem Warschauer Vertrag, durch den Nato-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979.

Siebentausend Fallschirmjäger

Deshalb gab Kremlchef Leonid Breschnew den Befehl zum Einmarsch. So begann der nächste Akt im Trauerspiel von Afghanistan. Weihnachten 1979 überschritten sowjetische Divisionen die Grenze, motorisiert und bis an die Zähne beaffnet.

Rund siebentausend Fallschirmjäger sprangen über Kabul und Bagram ab. Zuvor eingesickerte Spezialkräfte des KGB stürmten den Präsidentenpalast und andere wichtige Ziele.

Die neue afghanische Führung wurde geschlachtet, politische Gefangene befreit und die Machtübernahme durch den Strohmann Babrak Karmal verkündet. Im Februar 1980 standen bereits 85.000 sowjetische Soldaten im Land, bis 1988 wuchs ihre Zahl auf rund 115.000.

Die CIA gibt nicht auf

Die Amerikaner sahen nicht tatenlos zu. Sie formten die Mudschahidin, die Krieger Gottes, die sich aus den weitgehend ungebildeten Stämmen des Nordens und Ostens rekrutierten. Diese zähe Guerilla erhielt Geld und Waffen aus den USA, Saudi-Arabien und Pakistan. In der Operation Cyclone schleuste die CIA mehrere Milliarden US-Dollar ins Land, als verdeckte Militärhilfe, die Kämpfer wurden in Pakistan ausgebildet.

Um den Widerstand gegen die sowjetischen Besatzer anzuspornen, hatten die USA unter anderem mehrere Millionen Dollar in sogenannte Lehrbücher investiert. Sie verherrlichten die Gewalt, islamistischen Fundamentalismus und verfälschten Zitate aus dem Koran.

Solche Bücher wurden in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan verwendet, um Nachwuchs für die Mudschahidin zu rekrutieren. Auch die späteren Taliban verwendeten die in den USA produzierten Bücher. Um nicht gegen das Bilderverbot der Taliban zu verstoßen, wurden menschliche Gesichter aus den Seiten heraus geschnitten.

Keine Gnade, auf beiden Seiten nicht

Der Krieg zwischen Sowjets und islamischen Gruppen kannte keine Gnade. Die Mudschahidin machten keine Gefangenen. Sowjetische Truppen brannten die kargen Siedlungen nieder und überließen die Menschen dem Hunger und dem eisigen Winter.

Doch nicht einmal schwere Kampfhubschrauber brachten den Erfolg. Aus dem Westen erhielten die Gotteskrieger handliche Stingerraketen, die man von der Schulter abfeuern konnte.

Sieben größere islamische Gruppen bildeten den Kern des Widerstands, ihr Hauptquartier befand sich in Pakistan. Der wichtigste Warlord war der berüchtigte Gulbuddin Hekmatyar, den die USA und Westdeutschland offen unterstützten. Untereinander waren die Warlords zerstritten, doch der gemeinsame Feind einigte sie.

Zwar hielten die Sowjets die Städte, im Landesinneren waren sie beinahe ohne Chance. Im Hindukusch erwiesen sich die Höhlen und Schächte der Mudschahidin als uneinnehmbar, selbst schweres Kriegsgerät und totale Überlegenheit in der Luft versagte. 1982 hatte sich der Krieg festgelaufen, verkam zum Terror auf beiden Seiten.

Afghanistan, der Alkohol und Tschernobyl

1985 waren Breschnew und zwei seiner greisen Nachfolger in kurzer Folge gestorben. Michail Gorbatschow wurde der neue, starke Mann im Kreml. Er trat mit dem Versprechen an, den irren Krieg in Afghanistan zu beenden.

Ein Jahr später explodierte der Atomreaktor in Tschernobyl. Die gesamte Wirtschaftskraft der Sowjets wurde aufs Äußerste beansprucht, um das Schlimmste zu verhüten. Das erhöhte den Druck, das Abenteuer am Hindukusch schleunigst zu beenden.

Ab Mai 1988 zogen sich die Sowjets zurück. Ein Jahr später waren die offiziell 100.300 Soldaten der Roten Armee zurück in ihrer Heimat. Afghanistan hatte über eine Million Tote zu beklagen, fünf Millionen Menschen waren wegen des Krieges aus dem Land geflohen. Auf sowjetischer Seite starben etwa 13.000 Soldaten. Später revidierte der russische Generalstab diese Zahl nach oben, auf mehr als 26.000 tote Soldaten.

Gorbatschow bezeichnete die Invasion und den fast zehnjährigen Krieg in Afghanistan später als einen der drei wichtigsten Gründe für den Zerfall der Sowjetunion: „Afghanistan, der Alkohol und Tschernobyl“.

Das Vakuum nach dem Abzug

Kaum hatten die Sowjets ihre Truppen heimgeführt, begann der nächste Akt des Trauerspiels: der Bürgerkrieg unter den Mudschahidin. Die Sowjetunion und die USA hatten sich 1988 in Genf verpflichtet, fortan die Finger von dem gepeinigten Land zu lassen – mehr oder weniger.

Bereits im Januar 1989 hatten die Mudschahidin die Hauptstadt Kabul umzingelt, es wurde über eine sowjetische Luftbrücke versorgt. Die Antikommunisten hatten in Peschawar in Pakistan eine Gegenregierung gebildet. Bis zum Frühjahr 1992 brachten die Mudschahidin weite Teile von Afghanistan unter ihre Kontrolle.

Der Streit der Warlords

Ende April 1992 marschierten sie kampflos in Kabul ein. Das Land wurde in verschiedene Sektoren unterteilt, um die Einflussbereiche der Warlords zu markieren. Nachdem Kabul in ihre Hände gefallen war, flammten die Kämpfe zwischen den Gotteskriegern erneut auf.

Der Bürgerkrieg erreichte eine neue Stufe. Die fundamentalistischen Taliban gingen als Sieger hervor und errichteten einen islamistischen Gottesstaat.

Der Iran spielte dabei zunächst kaum eine Rolle. Erst 1989, als der Krieg gegen den Irak vorbei war, initiierten die Mullahs in Teheran, dass sich die schiitischen Mudschahidin in Afghanistan vereinten. Saudi-Arabien hatte stets die sunnitischen Gotteskrieger unterstützt, sogar eigene Kämpfer ins Land geschickt.

Empfang für Hekmatyar in Bonn

Die Bundesrepublik Deutschland stellte 1981 rund 60 Millionen Mark für afghanische Flüchtlinge in Pakistan bereit. Afghanische Warlords wurden in Bonn empfangen, unter ihnen Hekmatyar. Angesichts der Hungersnot erhielt der afghanische Widerstand über 100.000 Mark von der Bundesregierung.

Zudem unterstützten CSU-nahe Kreise die islamistische Miliz Hekmatyars finanziell. Die Fundamentalisten durften 1980 in Bonn ein Büro eröffnen, um Unterstützer im Westen anzuwerben.

Der Bundesnachrichtendienst hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in Afghanistan die neueste Waffentechnik der Sowjets zu analysieren. Eigens dafür wurde in Pakistan ein Büro gegründet, getarnt als Lazarett. Das war bald überflüssig, denn im Oktober 1990 übenahm die Bundeswehr sämtliche Bestände der Nationalen Volksarmee – und stieg zu einem der größten Händler für sowjetische Militärtechnik weltweit auf.

Die StVO der DDR übernommen

Auch die Deutsche Demokratische Republik war an dem Konflikt beteiligt. Sie bildete Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der afghanischen Streitkräfte aus, ferner Polizeikräfte – wie später die westliche Allianz nach 2002. Die Nationale Volksarmee unterstützte die afghanische Armee zudem mit Nachrichtentechnik.

Die Stasi soll ungefähr tausend Afghanen für den Geheimdienst ausgebildet haben. Zudem half die DDR im Bildungssektor: durch Schulen und Lehrmaterialien.

Ein Treppenwitz der Geschichte: Im Jahr 2000, zehn Jahre nach dem Ende der DDR, wurde in Afghanistan die Straßenverkehrsordnung der DDR eingeführt. Der Grund: Viele afghanische Soldaten waren in der DDR ausgebildet worden.

Nine Eleven und der nächste Krieg

Die Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon in New York und Washington, D.C., am 11. September 2001 läutete das nächste Kapitel des afghanischen Trauerspiels ein. Nach den Briten und den Sowjets war es nun an den Amerikanern, ihre Irrtümer mit viel Blut zu bezahlen.

Afghanistan versank zu dieser Zeit noch immer im Chaos, hatte sich weder politisch, noch wirtschaftlich oder sozial gefestigt. Nach Angaben der CIA gewährten die Taliban mutmaßlichen Terroristen Unterschlupf, allen voran Osama bin Laden, nach Angaben der CIA einer der Drahtzieher der Anschläge.

Nun zogen die Vereinigten Staaten in den Krieg gegen den Terror, die Nato im Schlepptau. Auch dieser Krieg endete im Patt, wieder erwies sich der Hindukusch als uneinnehmbar.

Die Amerikaner und ihre westeuropäischen Hilfstruppen stehen fast doppelt so lange im Land wie seinerzeit die Sowjets. Seit 2001 bis 2020 starben rund 3.600 Soldaten der westlichen Allianz. Allein zwischen 2014 und 2018 wurden 30.000 einheimische Sicherheitskräfte getötet. Niemand hat genaue Zahlen über die Verluste der Zivilbevölkerung: Sie dürften in die Hunderttausende gehen.

Irrtum, Arroganz und Enttäuschung

Nun – im Jahr 2021 – macht sich auch die jüngste fremde Besatzungsmacht aus dem Staub. Der Abzug des Kontingents der Bundeswehr hinterlässt allein 59 tote Soldaten (Stand Ende 2020), deren Zinksärge mit großem Pomp heim ins Reich überführt wurden.

Viele deutsche Afghanistankrieger kehrten und kehren traumatisiert in ihre Heimat zurück. Sie teilen diese Erfahrung mit sowjetischen und amerikanischen Kollegen.

Es war der gleiche Irrtum, die gleiche Arroganz und die gleiche Lüge, die sie ins Land brachte. Und die gleiche bittere Enttäuschung, nach völlig sinnlosen Opfern, diesem Land den Rücken zu kehren. Nicht Freiheit oder Sicherheit wurden am Hindukusch verteidigt, sondern das dicke Geschäft des Krieges.

Altes und neues Chaos

Nach wie vor herrschen die Taliban. Die Interessen fremder Mächte haben die zaghafte Modernisierung in den 1950er und 1960er Jahren zunichte gemacht. Ausländische Besatzer haben den Islamisten in die Hände gespielt, haben die Gotteskrieger geboren, ernährt und aufgebaut.

Nun geben regionale Leitmächte den Ton an: der Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien sowie die Fundamentalisten in Pakistan. Experten schätzen, dass rund 28.000 Pakistani auf der Seite der Taliban und von Al-Qeida kämpften. Hinzu kamen etwa dreitausend Milizionäre aus arabischen Ländern oder Zentralasien. Von geschätzten 45.000 Soldaten, die gegen die gemäßigte Regierung in Kabul kämpften, waren nur etwa 14.000 Afghanen.

Die Taliban stellen die Frauen faktisch unter Hausarrest, zudem verüben sie systematische Massaker an der Zivilbevölkerung, vor allem unter gebildeten Schichten. Der islamistische Terror stützt sich auf ungebildete Gotteskrieger, die nach vier Jahrzehnten Krieg nichts anderes kennen, als Tod und Zerstörung.

Heißes Pflaster für großes Geld

Daran hat der Einsatz der westlichen Allianz seit Oktober 2001 faktisch nichts geändert. Nur vier Wochen nach dem Tod von knapp 3.000 Amerikanern in New York rückten hochgerüstete Spezialeinheiten ein, die sogenannte Afghanistan-Schutztruppe (International Security Assistance Force: Isaf).

Zwei Jahrzehnte später, Anfang 2021, beschränkt sich ihre Kontrolle auf die wichtigsten Städte. Weite Landesteile sind sogenannte No-go-Areale. Dass Pakistan hinter den Taliban steht, offiziell ein Verbündeter der Nato, stört die westliche Allianz nicht.

Auch nicht, dass der Krieg im wesentlichen durch Opium finanziert wird, dessen horrende Erlöse in Westeuropa und den USA viel Geld in die Kassen der Taliban spülen. Hinzu kommen Petrodollars aus Ryiad und Teheran, um die Günstlinge der Saudis und der Ayatollahs zu päppeln.

Niemand hat Interesse am Frieden

Fazit: Afghanistan zu befrieden, war und ist niemals ein Ziel gewesen – weder der Sowjets, noch des Westens. Die medienwirksame Ermordung von Osama bin Laden während der Operation Neptuns Speer sollte von den militärischen Misserfolgen ablenken.

Sie sollte aber auch die wirtschaftlichen Erfolge verschleiern. Denn die Rüstungsindustrie – in den USA, in Frankreich, in Großbritannien und in Deutschland – verdiente prächtig, ebenso die Drogenkartelle und die Mineralölwirtschaft, die bei jedem militärischen Konflikt kräftig kassiert.

Im Februar 2020 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und die Taliban einen Friedensvertrag, um den Abzug der Nato zu regeln. Er ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt wurde. Nach dem Abzug der Isaf wird der Bürgerkrieg mit neuer Härte aufflammen.

Schwere Zeiten für die Taliban

Dass die Taliban zum islamischen Staat zurückkehren, könnte sich für sie jedoch als Pyrrhussieg herausstellen. Denn die von religiöser Inbrunst getragenen Gotteskrieger müssen nun die Herausforderungen des Friedens meistern.

Dass islamistische Fundamentalisten dazu kaum in der Lage sind, beweisen die Saudis in Ryiad und die Mullahs in Teheran gleichermaßen. Um von innenpolitischer Instabilität und sozialen Problemen abzulenken, suchen sie den außenpolitischen Konflikt, etwa gegen Jemen oder gegen Israel oder gegeneinander. In der modernen, vernetzten Welt haben mittelalterliche Theokraten keine Chance, nicht auf Dauer.

Die Taliban sind im Krieg geboren. Im Frieden müssen sie sich mäßigen und viel schwierigere Probleme lösen. Ob das gepeinigte Land dafür ausreichend Ruhe findet, bleibt offen.

Zehn Millionen Minen

Drückend ist die Last der Kriege: Nach Angaben der Uno stecken zehn Millionen Minen in der trockenen Erde von Afghanistan. Kabul ist die am stärksten verminte Stadt der Welt. Die Sprengsätze stammen teilweise von den Sowjets, zum Teil aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Iran.

Die Taliban setzten pakistanische Landminen ein. 2002 starben 1.286 Afghanen durch Minen, die Dunkelziffer liegt um etliches höher. Ungezählt sind Krüppel und Leichtverletzte.

Landwirtschaft liegt am Boden

Zudem liegt die Landwirtschaft am Boden. Die ehemals umfangreichen Viehbestände existieren nicht mehr. Obwohl nur sechs Prozent der Landfläche nutzbar sind, arbeiten zwei Drittel der Afghanen in der Landwirtschaft.

Die Arbeitslosigkeit erreicht mehr als 25 Prozent. Afghanistan gehört zu den Schlusslichtern in der Welt, wenn es um das Bruttoinlandsprodukt oder verschiedene Modelle geht, die den Entwicklungsstand zu bewerten.

Die Wälder sind zerstört, die Böden ausgelaugt, das Grundwasser versiegt. Die karge Landwirtschaft ist sehr anfällig gegen Dürren und andere Naturkatastrophen. Der Klimawandel schlägt besonders hart zu. Manche Flüsse und Seen sind mittlerweile völlig ausgetrocknet. Teile der Bevölkerung sind auf Hilfen angewiesen, um nicht zu verhungern oder zu verdursten.

Größter Produzent von Opium

Dagegen wuchs die Anbaufläche für Schlafmohn von 70.000 Hektar (1994) auf 200.000 Hektar (2016) an. Afghanistan ist der größte Opiumproduzent der Welt. Im Juli 2000 hatten die Taliban den Anbau verboten, so dass er binnen eines Jahres fast auf null sank.

Seit die Amerikaner im Land stehen, ging es mit dieser Branche wieder aufwärts. 2006 machte der Handel mit Opium beinahe die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts aus. Damals wuren mehr als sechstausend Tonnen geerntet – 92 Prozent der Weltproduktion.

Der Exportwert dieses Opiums liegt bei 3,1 Milliarden US-Dollar. Sein Straßenpreis in den USA und anderswo erreicht rund 38 Milliarden US-Dollar. Im Herbst 2007 wurden in Afghanistan 8.200 Tonnen Opium geerntet. Der afghanische Opiumfarmer erzielt etwa 122 US-Dollar pro Kilogramm. Somit ist Anbau von Schlafmohn für ihn etwa um das Zehnfache lukrativer als der Anbau von Weizen.

Zudem ist Afghanistan der größte Produzent von Haschisch, das aus Cannabispflanzen gewonnen wird. Pro Hektar werden 145 Kilogramm Cannabisharz gewonnen. In Marokko, das über die weltgrößte Anbaufläche für Cannabis verfügt, sind es pro Hektar nur 40 Kilogramm.

Reich an Bodenschätzen

Afghanistan ist reich an Bodenschätzen, vor allem Eisen, Kupfer, Kohle, Erdgas, Edelsteine und Erdöl. Allerdings sind zu ihrer Erschließung hunderte Millionen US-Dollar erforderlich.

In absehbarer Zeit hat das instabile Land keine Aussicht, dass sich die Investoren tummeln. Zumal die großen Produzenten von Erdgas und Erdöl – Iran, Irak, Saudi-Arabien oder Russland – kein Interesse an neuer Konkurrenz haben. Die Preise für diese Rohstoffe liegen dauerhaft am Boden und geraten durch saubere Energie aus Photovoltaik oder Windkraft zusätzlich unter Druck.

Sonne und Wind hat Afghanistan im Überfluss. Darin liegt eine gewaltige Chance, um ausreichend Energie für die Versorgung der Bevölkerung zu gewinnen. Zudem ist viel Wasser vorhanden. Allerdings ist die Erschließung von Wasserkraft durch Dämme und Talsperren ungleich teurer als Sonnengeneratoren oder Windräder.

Frieden – die einzige Hoffnung

Dennoch: Afghanistan hat nur eine Hoffnung – den Frieden. Kein Land der Welt, keine Herrschaftsform kann sich dem Sog der Modernisierung entziehen – auch wenn es noch mit einem Bein im Mittelalter steht. Die Isolationspolitik der Taliban hat keine Zukunft, wie sie in Teheran oder bei den Saudis ein Auslaufmodell ist.

Nur im Frieden wird sich das Chaos ordnen, langsam, mit dem Schrittmaß, den dieses geschundene Land mit seinen vielfältigen Völkern und Gegebenheiten braucht. Das beweist die geschichtliche Erfahrung. So etwas funktioniert nur von innen heraus. Und es braucht seine eigene Zeit. Gesellschaften, die sich heute ihrer Demokratie rühmen, brauchten dafür Jahrhunderte:

Zwei Warlords: Cromwell und Washington

Oliver Cromwell trat als Warlord in die englische Geschichte, als Fundamentalist, der sogar den englischen König köpfen ließ. Später setzte er sich quasi selber als Oberlord ein, um das Chaos zu beenden. Hätten damals die Franzosen interveniert, wäre die englische Revolution niemals erfolgreich gewesen.

Und der Freischärler George Washington lehnte sich hundert Jahre später gegen fremde Besatzer – die Briten – auf, um sein Land in die Freiheit zu führen. Auch er war – nach gültiger Definition – ein Warlord, ein irregulärer Kriegsherr, neudeutsch: Outlaw. Hätten ihn die Rotröcke damals in die Hände bekommen, hätten sie ihn als Aufrüher am nächstbesten Baum aufgeknüpft.

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Mehr Sonne für Berlin (3): Unternehmer senken Kosten und binden Kunden

Die Berliner Zeitung setzt ihre Ratgeberserie rund um Sonnenstrom und Eigenverbrauch fort. Teil 3 informiert über die Möglichkeiten für Unternehmer, ihre Energiekosten durch Eigenstrom zu senken. Und sich für ökologisch anspruchsvolle Kunden zu empfehlen.

Als Hertha BSC im Sommer des vergangenen Jahres den ökologischen Fußabdruck des Fußballklubs analysierte, gab es ein böses Erwachen. Im Auftrag des Erstligisten hatte sich die Berliner Energieagentur die Emissionen vorgenommen, die rund um den Fußball entstehen.

Die Daten der Saison 2018/2019 zeigten: Der sogenannte CO2-Fußabdruck von Hertha BSC beträgt 10.550 Tonnen. Etwa 90 Prozent der Emissionen (9.576 Tonnen Kohlendioxid) fielen im Transport an, beispielsweise der Mannschaft und der Fans zu Auswärtsspielen.

Klimaschutz als Geschäftsziel

Indirekte Emissionen wie der Verbrauch von elektrischem Strom und Wärmeenergie machten insgesamt 959 Tonnen CO2-Äquivalente aus. „Klimaschutz hat im Profifußball bisher eine untergeordnete Rolle gespielt“, kommentierte Michael Geißler, Geschäftsführer der Berliner Energieagentur. „Umso eindrucksvoller ist es, dass Hertha BSC bei diesem Thema vorangeht und der Verein seine Treibhausemissionen nach einem anerkannten Verfahren transparent und vergleichbar macht.“

Solare Energiewende für die Hauptstadtregion

Solarer Eigenstrom für Unternehmer: Was für die Solarbranche mittlerweile Stand des Wissens und Alltagsgeschäft ist, zählt für viele Menschen längst nicht zum Allgemeingut. Deshalb veröffentlicht die Berliner Zeitung eine Ratgeberserie, die verschiedene Modelle der Eigenstromversorgung erläutert.

In sechs Folgen erläutert das Hauptstadtmedium die Chancen, die sich durch solare Eigenstromversorgung und E-Mobilität ergeben. Im dritten Teil werden die Unternehmer angesprochen, in der Solarbranche als Gewerbekunden bekannt. Danach folgen die Immobilienbesitzer, Architekten und die öffentliche Verwaltung.

Veröffentlichungen online und in der Druckausgabe

Die Serie begann am 7. Mai 2021. Im Abstand von einer Woche folgen die weiteren Teile. Zudem erscheinen die Artikel in der Druckauflage (ca. 80.000 Exemplare), jeweils in der folgenden Woche.

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Video: Die Löwen von Seronera

Im Herzen der Serengeti: Jung stand die Sonne am Himmel, frisch und grell, und die Sträucher warfen lange Schatten, aus denen die Reste der Nacht dampften. Als der Jeep das stählerne Tor der Lodge von Seronera passiert hatte, knirschten die Pneus über die sandige Spur, die bleich in die grasige Ebene der Serengeti schnitt.

Unmittelbar nach dem Tor machte die Piste eine Biegung, und dort lag ein großes Rudel wilder Löwen. Der Anblick war gewaltig: Etliche Katzen lagen am Rand des Weges, bei einem riesigen Kaffernbüffel, den sie in der Nacht überwältigt hatten.

Aufmerksam sondierte eine Löwin das Terrain, während die Jungtiere bis zu den Schultern in den blutigen Kadaver krochen. Einige Tiere lagen im Gras und dösten, andere leckten sich das Fell. Es war in der ersten Stunde des Lichts; und das Gras stand hoch, so hoch, dass die Raubtiere beinahe darin verschwanden …

Hier sehen Sie das Video. (Dauer: 0,58 Min.)

Der Roman: Nomaden von Laetoli

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Freitag, 14. Mai 2021

Mehr Sonne für Berlin (2): Mieterstrom entlastet den Geldbeutel und die Umwelt

Die Berliner Zeitung setzt ihre Ratgeberserie rund um Sonnenstrom und Eigenverbrauch fort. Teil 2 informiert über die Chancen von solarem Mieterstrom – um die sogenannte zweite Miete für die Energiekosten zu senken. Und neue Flächen für den Klimaschutz zu erschließen.

Eine saubere Sache: In Berlin-Spandau hat die Berliner Energieagentur (BEA) ein wegweisendes Mieterstromprojekt gestartet. Das Besondere: Die Solargeneratoren wurden auf begrünten Dächern installiert, die Gebäude gehören der Baugenossenschaft Charlotte. Zudem wurden Ladesäulen für Elektroautos installiert.

Insgesamt hat die BEA am Freudenberger Weg vier Solaranlagen mit je 18 Kilowatt Leistung sowie eine Anlage mit 27 Kilowatt gebaut. Die Bewohnerinnen und Bewohner können den Sonnenstrom als Kiezstrom der BEA beziehen. Jährlich erzeugen die Solarmodule rund 89,5 Megawattstunden.

Solare Energiewende für die Hauptstadtregion

Solarer Mieterstrom: Was für die Solarbranche mittlerweile Stand des Wissens und Alltagsgeschäft ist, zählt für viele Menschen längst nicht zum Allgemeingut. Deshalb veröffentlicht die Berliner Zeitung eine Ratgeberserie, die verschiedene Modelle der Eigenstromversorgung erläutert.

In sechs Folgen erläutert das Hauptstadtmedium die Chancen, die sich durch solare Eigenstromversorgung und E-Mobilität ergeben. Im zweiten Teil werden die Mieter in privaten und kommunalen Gebäudebestand angesprochen. Danach folgen Gewerbekunden, Immobilienbesitzer, Architekten und die öffentliche Verwaltung.

Veröffentlichungen online und in der Druckausgabe

Die Serie begann am 7. Mai 2021. Im Abstand von einer Woche folgen die weiteren Teile. Zudem erscheinen die Artikel in der Druckauflage (ca. 80.000 Exemplare), jeweils am folgenden Dienstag.

Mehr Sonne für Berlin: Zweiter Teil der Serie (erschienen am 14. Mai 2021).

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Mehr Sonne für Berlin (1): Unabhängig mit dem Eigenheim (erschienen am 7. Mai 2021)

Dr. Franz Alt: Bürger zur Sonne, zur Freiheit

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© Berliner Verlag
Freitag, 7. Mai 2021

Berliner Zeitung startet Ratgeber: Unabhängig mit Sonnenstrom vom eigenen Dach

Mehr Sonne für Berlin: Als bundesweit erste große Tageszeitung hat die Berliner Zeitung eine Ratgeberserie rund um Sonnenstrom und Eigenverbrauch gestartet. Der erste Teil informiert über die Chancen für Eigenheimbesitzer und ihren Weg zur Autarkie.

Wer ein Eigenheim besitzt, kann seine Energiekosten dramatisch reduzieren – mit Solarmodulen und Stromspeichern. Was für die Solarbranche mittlerweile Stand des Wissens und Alltagsgeschäft ist, zählt für viele Menschen längst nicht zum Allgemeingut.

Solare Energiewende für die Hauptstadtregion

Um die solare Energiewende in der Hauptstadtregion voranzubringen, hat die Berliner Zeitung nun eine Ratgeberserie gestartet. In sechs Folgen erläutert sie die Chancen, die sich durch solare Eigenstromversorgung und E-Mobilität ergeben. Im ersten Teil werden zunächst die privaten Solarkunden angesprochen. Danach folgen Gewerbekunden, Mieter und Vermieter, Architekten und die öffentliche Verwaltung.

Veröffentlichungen online und in der Druckausgabe

Die Serie begann am 7. Mai 2021. Im Abstand von einer Woche folgen die weiteren Teile. Demnächst wird der erste Artikel in der Druckauflage (ca. 80.000 Exemplare) veröffentlicht. Auch dort sollen die weiteren Artikel regelmäßig folgen.

Mehr Sonne für Berlin (1): Unabhängig mit dem Eigenheim (erschienen am 7. Mai 2021)

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© H.S. Eglund
Dienstag, 4. Mai 2021

Leseprobe im Video: Am Strand von Jambiani

Martin Anderson und sein Mitarbeiter Simon bereiten die Yacht für eine Ausfahrt vor. Sie wollen vor Sansibar zu den Riffen und Wracks tauchen, um Hinweise auf versunkene Zivilisationen zu finden. Die Zeit drängt, denn es drohen Unwetter und Regen – der jährliche Monsun kündigt sich an.

Zu Beginn des dritten Teils des Romans Nomaden von Laetoli hockt Martin Anderson am Strand von Jambiani an der Ostküste von Sansibar. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Simon bereitet er eine Tauchexpedition zu den Wracks vor der Küstee des Indischen Ozeans vor. Sie besprechen die Ausstattung der Yacht und den Zeitplan. Eile ist geboten, denn die Idylle der tropischen Küste ist bedroht: Am Horizont, von Indien, eilen die Vorboten des Monsuns heran.

Die Leseprobe aus dem dritten Teil des Romans Nomaden von Laetoli wurde von H.S. Eglund eingesprochen und mit Aufnahmen aus Sansibar und Jambiani ergänzt. Auch sie stammen vom Autor.

Hier finden Sie das Video. (Dauer: 6:13 min.)

Bestellungen beim ViCON Verlag.

Leseprobe im Video: Das frühe Ende einer Safari

Leseprobe im Video: Die Attacke aus dem Norden

Leseproben als PDF-Texte

Hörproben als Audiodateien

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© Omas for Future
Donnerstag, 29. April 2021

Omas for Future machen mobil für Klimaschutz

Jetzt werden die Oldies aktiv: Sie rufen dazu auf, Klimawünsche überall in Deutschland auf Banner zu schreiben und sie zu einer Sternfahrt mit Fahrrädern einzureichen – rechtzeitig zur Bundestagswahl. Crowdfunding unterstützt die Kampagne.

Die Energiewende und Aktionen gegen die Klimaerwärmung nehmen Fahrt auf – vor allem in den Köpfen der Menschen. Omas for Future ruft dazu auf, eines oder mehrere Bänder mit Wünschen für gutes Klima zu beschriften.

Das können Schleifen sein, ebenso ein schmales Stück alter Stoff. Sehr gut eignet sich die Aktion, um die jüngere und die ältere Generation zusammen zu bringen. Denn nur gemeinsam gibt es die Chance, etwas zu verändern.

Crowdfunding bis 19. Mai 2021

Geplant ist eine Sternfahrt im Vorfeld der Bundestagswahl im Herbst, um die Klimawünsche in die Medien und die Politik zu tragen. Zur Finanzierung nimmt Omas for Future auf der Webplattform Startnext seit 21. April an einem Crowdfunding-Contest der Hertie-Stiftung teil. Dieser Wettbewerb läuft bis 19. Mai 2021.

Möglichst viele Kleinspender

Gewonnen hat am Ende das Projekt mit den meisten Spenderinnen und Spendern, nicht das Projekt mit der höchsten Summe. Es geht darum, möglichst viele Menschen zur einer Kleinspende zu animieren.

Ein Beispiel: eine Familie will 50 Euro spenden. Um die Chancen der Omas im Wettbewerb zu erhöhen, sollte nicht eine Person der Familie 50 Euro spenden, sondern fünf Personen jeweils zehn Euro. Auch Spenden von fünf Euro sind willkommen.

Website der Klimawünsche

Spendenkampagne auf Startnext

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© Harel/Verlag Andre Deutsch
  • Bilder des Mossad von Agenten und Eichmann in Südamerika. © Viking Press
  • Das Buch von Mossad-Chef Isser Harel aus dem Jahr 1975. © Verlag Andre Deutsch
Sonntag, 25. April 2021

Ende einer Dienstfahrt

Adolf Eichmann war der oberste Scherge in der Nazihierarchie der Judenmörder. Als Beamter auf Lebenszeit wurde er nach dem Krieg von der Regierung Adenauer geschützt. Bis ihn der Mossad aufspürte und zur letzten Reise lud – nach Israel, um ihn vor Gericht zu stellen.

Am 23. Mai 1960 trat Israels Ministerpräsident David Ben-Burion vor die Knesset in Tel Aviv. Sein Statement ging um die Welt: Der oberste Beamte der Abteilung IV B4 des ehemaligen Reichssicherheitshauptamts (RSHA) befindet sich in Gewahrsam in Israel und erwartet seinen Prozess.

IV B4 war das Referat für Judenangelegenheiten der Nazimordmaschine. Dort liefen die Fäden der sogenannten Endlösung zusammen. Leiter des Referats war Adolf Eichmann.

Der Mossad schlug zu

In einer Nacht- und Nebelaktion hatte der israelische Geheimdienst Mossad in Buenos Aires zugeschlagen. 15 Jahre lang waren die Agenten jedem Hinweis nachgegangen, Eichmann könnte am Leben sein und sich verstecken.

Denn eigentlich galt er als tot. Eichmann wurde seit Frühjahr 1945 vermisst, es gab keine offiziellen Hinweise auf seinen Verbleib. Sein Frau Vera Liebl – sie war Deutsche, er Österreicher – ließ ihn für tot erklären und brach nach Argentinien auf. Dort heiratete sie ein zweites Mal. Die Söhne Eichmanns nahm sie mit nach Buenos Aires, wo die Familie fortan lebte.

Ricardo Klement, der neue Gatte von Frau Eichmann, war den deutschen Behörden bekannt. Die Organisation Gehlen, unter den Altnazis in Südamerika bestens vernetzt, hatte schon 1958 die CIA informiert, dass Klement ein falscher Name war.

Er deckte den meistgesuchten Nazimörder Adolf Eichmann, der im Nürnberger Prozess als Organisator der Deportationen von Millionen Juden in die Gaskammern von Treblinka und Auschwitz bekannt wurde.

Adenauer legte sich quer

Auf Wunsch der Bundesregierung unter Kanzler Adenauer gab die CIA ihr Wissen nicht an den Mossad weiter. Adenauer befürchtete, dass Eichmann im Falle seiner Verhaftung über Hans Globke aussagen könnte.

Globke war Staatssekretär im Kanzleramt, sozusagen Adenauers rechte Hand. Unter den Nazis hatte der geschmeidige Jurist die Gesetze zur Entrechtung und Vernichtung der Juden formuliert.

1958 lebte Eichmann bereits acht Jahre in Argentinien, unter falschem Namen, unter dem Schutz Adenauers und des Auswärtigen Amtes, denn die deutsche Botschaft in Buenos Aires kannte sowohl den Mann als auch seine Vergangenheit. Die zweite (Schein)-Heirat von Vera Liebl lief über ihren Tisch, als sei Eichmann tatsächlich zum Kriegsende verschollen wie Martin Bormann, Hitlers rechte Hand, oder Josef Mengele, der Todesarzt von Auschwitz.

Eine preußische Erfindung

Bislang ist wenig untersucht, wie wichtig das Beamtentum für die brutale Effektivität der Nazimaschine war. Vom preußischen Soldatenkönig eingeführt, verband der Beamte die Arbeit für den Staat mit einer quasi militärischen Unterordnung unter seinen Dienstherren.

Der alte Fritz perfektionierte die Kaste des Staatsknechts weiter, auf diese Weise baute er eine effiziente Verwaltung auf – zu überschaubaren Kosten. Denn den Beamten stand nur eine besondere Altersversorgung zu, während sie im aktiven Dienst eher überschaubare Bezüge erhielten.

Im Deutschen Reich und Bismarcks Verwaltung seit 1871 wurden die Beamten zu den Pfeilern des preußischen Staates. Sie bildeten eine wachsende Schicht, die sich aufgrund ihre Bezüge und ihrer Versorgungsansprüche deutlich von den Angestellten der Industrie und den Arbeitern abhoben.

Nach der Revolution von 1919 und später in der Weimarer Republik zeigte sich deutlich die konservative Haltung der Beamten, die ihre Arbeit für den Staat über die Demokratie und den Parlamentarismus stellten.

Nahtloser Übergang zur NSDAP und zur SS

Die Beamtenschaft in Deutschland (und nach dem sogenannten Anschluss 1938 auch in Österreich) stellte sich weitgehend hinter die NSDAP, etliche Staatsdiener wurden schon zu einem frühen Zeitpunkt Mitglied in Hitlers Partei und in der SS.

1933 hatte Hitler mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums alle Juden vom Staatsdienst ausgeschlossen, sofern sie nicht im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten. Auch Sozialisten oder Kommunisten wurden entfernt. Alle Beamte mussten sich als Arier nachweisen, wollten sie ihren Job behalten – und auf den NS-Staat schwören.

Adolf Eichmann (geboren 1906) war 1927 der Frontkämpfervereinigung Deutsch-Österreichs beigetreten. Der gelernte Elektrotechniker arbeitete zunächst als Sachbearbeiter für die Firmen Vacuum Oil und Elektrobau in Wien. Im April 1932 wurde er Mitglied der österreichischen NSDAP (Mitgliedsnummer 889.895) und der SS (Nummer 45.326).

Im Juli 1933 wurde die NSDAP in Österreich verboten. Deshalb floh Eichmann nach Bayern, zur Österreichischen Legion in Klosterlechfeld und später nach Dachau, zur paramilitärischen Ausbildung bei der SS. Hier meldete er sich im Oktober 1934 freiwillig zum Sicherheitsdienst (SD) der SS nach Berlin. Seine Karriere in der Machtzentrale der Nazis begann.

Der COO oder CGC des Judenmords

Eichmann war still, effizient und fantasiereich. So stieg der Musterbeamte steil auf. Als Anfang der 1940er Jahre am Wannsee die Vernichtung der europäischen Juden – die sogenannte Endlösung – beschlossen wurde, übernahm er den Job.

Nach heutiger Begrifflichkeit könnte man ihn als COO (Chief Operating Officer) des Judenmords bezeichnen, vom NS-Staat autorisiert und bezahlt, oder besser als CGC (Chief of Gas Chambers). Eichmann wirkte beinahe unsichtbar: Nach dem Krieg gab es nur sehr wenige Fotos von ihm und keine Fingerabdrücke.

Öffentlich aufgefallen war er durch die Aussagen von Dieter Wisliceny, die ein amerikanischer Ankläger für den Nürnberger Prozess aufnahm. Wisliceny saß damals im Knast in Bratislava, wo ihn die Slowaken vor Gericht stellten. Er wurde 1948 gehängt.

Wisliceny war Subalterner in Eichmanns Team in der Abteilung IV B4 des RSHA. Er bestätigte, dass Eichmann nie im Rampenlicht stand wie seine Bosse: Heydrich, Kaltenbrunner und Himmler.

Die Legende vom Selbstmord

Eichmann habe nie selbst einen Menschen getötet. Er war ein stiller, sehr sorgfältiger Beamter, der Akten schrieb und gewaltige logistische Aufgaben löste: die Erfassung, Sammlung und den Transport von Millionen Menschen aus ganz Europa in die Todeslager im Osten.

Er sortierte Akten, organisierte Deportationen und führte Befehle aus. Akribisch hielt Eichmann jeden Befehl seiner Vorgesetzten fest, um sich von Schuld rein zu halten. Doch Eichmann war nicht der graue, staubige Beamte, der nicht wusste, was er tat. Wisliceny zitierte ihn, als er Eichmann Ende Februar 1945 zum letzten Mal in Berlin begegnete: „Er sagte, er würde lachend ins Grab springen, weil fünf Millionen Menschen auf seinem Gewissen für ihn eine außergewöhnliche Befriedigung seien.“

Mit Wislicenys Aussage entstand auch die Legende, Eichmann habe aus Angst vor den Alliierten Selbstmord verübt und sei in den Wirren der letzten Kriegswochen verschollen. Seine Aussage zeigte Eichmann als erbarmungslosen Schreibtischtäter.

Auf ihn traf genau zu, was der französische Germanist Robert d‘Harcourt erforschte: „Das deutsche Beamtentum arbeitet mit beneidenswerter Effizienz, allerdings im Unrecht genauso wie im Recht“, schrieb er nach Kriegsende. „Es hat nichts anderes gelernt, als sich einfach einem Räderwerk gleich zu drehen.“

Das Buch vom Chef des Mossad

Erhellend sind die Informationen von Isser Harel, dem Gründer und ersten Chef des Mossad. In seinem Buch The House in Garibaldi Street (erschienen 1975) hat er die Suche nach Eichmann akribisch nachgezeichnet.

Harel war David Ben-Gurion gegenüber für die Jagd auf die Altnazis verantwortlich: allesamt ehemalige deutsche Staatsbeamte wie Adolf Eichmann, Josef Mengele oder Franz Stangl, Kommandant des Todeslagers von Treblinka.

Rudolf Höß, der Lagerchef von Auschwitz, war den Russen bereits in die Hände gefallen. Er wurde 1947 in Krakau abgeurteilt und gehängt – in Auschwitz, dem Ort seiner unglaublichen Verbrechen. Der Galgen steht dort noch heute.

Die Israelis wussten, dass viele Nazis mit Hilfe katholischer oder protestantischer Orden nach Südamerika geflohen waren. Mit dem Segen des Papstes wurden ihnen beispielsweise Rot-Kreuz-Pässe ausgestellt, um sie nach Argentinien oder Brasilien zu schleusen.

Eichmann war Katholik. Nachdem er 1945 für kurze Zeit unter falschem Namen von den Amerikanern interniert worden war, gelang ihm die Flucht. Er tauchte bei Bauern unter, bis er 1950 über die sogenannte Rattenlinie von Rom nach Genua und per Schiff nach Argentinien fliehen konnte.

Unter Peróns Fittiche

Dort schlüpfte er unter die Fittiche von Diktator Juan Perón, der sich offen mit Altnazis zeigte. Es gibt ein Foto von Eichmann, als er im persönlichen Eisenbahnwagen des argentinischen Staatschefs sitzt – neben Perón.

Dieses und weiteres aufschlussreiches Bildmaterial wurde im Report von Isser Harel sowie in Minister of Death – The Adolf Eichmann Story präsentiert, das 1960 von Quentin Reynolds, Ephraim Katz und Zwy Aldouby veröffentlicht wurde.

In Argentinien lebten Altnazis und Juden auf seltsame Weise – beinahe Tür an Tür. Viele europäische Juden waren vor den Nazis nach Südamerika geflohen, schon vor 1933 oder der Kristallnacht 1938. Als Perón 1955 gestürzt wurde und ins Exil ging, verbesserte sich das Verhältnis Argentiniens zum jungen Staat Israel.

Möglicherweise wäre Eichmann spätestens dann nach Deutschland ausgeliefert worden, wenn es einen Antrag aus Bonn gegeben hätte. Aus den oben erwähnten Gründen hielten die Beamten im Kanzleramt Adenauers – etliche ehemalige Kollegen von Eichmann in Diensten der Nazis – die Füße still.

Ein Ersuchen aus Israel wiederum hätte Eichmann über das weitverzweigte Netzwerk der Nazis in Argentinien sofort erfahren und wäre abgetaucht, etwa nach Brasilien (wie Franz Stangl und Josef Mengele) oder nach Bolivien (wie Klaus Barbie, der „Schlächer von Lyon“).

Ein Tipp von Fritz Bauer

In Deutschland wurden etliche angeklagte Ex-Nazis freigesprochen, wenn sie sich auf „Befehlsnotstand“ berufen konnten. Noch 1968 sollte das Strafrecht geändert werden, um früheren Nazibeamte von juristischer Verfolgung freizustellen.

Einer der aktivsten Ankläger und Nazijäger in Deutschland war der Jurist Fritz Bauer, seinerzeit Staatsanwalt in Hessen. Er musste erleben, wie seine Klagen oft am Filz der Altnazis scheiterten. Denn die deutschen Gerichte waren weitgehend mit Juristen besetzt, die schon dem Dritten Reich gedient hatten.

Nach Angaben von Isser Harel war es ein Tipp Bauers, der die Aktion gegen Eichmann in Gang setzte. Die Quelle war ein Mann namens Lothar Hermann, ein blinder Jude aus Deutschland, der in Olivos lebte, einem Vorort von Buenos Aires.

Über die Söhne aufgespürt

Seine Tochter war mit einem jungen Mann namens Nicolas Eichmann liiert, Sohn des Ehepaars Ricardo und Vera Klement. Nicolas ist die spanische Adaption von Klaus, dem Vornamen von Eichmanns ältestem Sohn.

Ab Januar 1958 begann der Mossad, Eichmann in Olivos auszuspähen. Denn Ricardo Klement legte ein merkwürdiges Verhalten an den Tag. Gut getarnt in der ärmlichen Umgebung der Siedlung für kleine Angestellte und Arbeiter vornehmlich deutscher Abstammung, machte er sich rar, beinahe unsichtbar. So bekam ihn Hermanns Tochter nie zu Gesicht, eine Einladung ihrer Eltern zum gegenseitigen Kennenlernen blieb unbeantwortet.

Zugleich wurde Eichmanns Familien in Deutschland und Österreich von israelischen Agenten – die meist ehemals Deutsche waren und sich gut auskannten – überwacht. Auch hier erlebten sie eine seltsame Mauer des Schweigens, die den Kriegsverbrecher und Obersturmbannführer der SS umgab.

Rund 70 Leute beteiligt

Nach Angaben von Isser Harel waren an der Aktion weltweit rund 70 Personen beteiligt, darunter Dr. Hans Friedenthal (1936 bis 1939 zweiter Vorsitzender der Deutschen Zionistischen Organisation) und Moshe Agani (Repräsentant der Jewish Agency 1938 in Wien). Beide kannten Eichmann persönlich und halfen, ihn zweifelsfrei zu identifizieren. Denn die Agenten lieferten Fotos, um jede Verwechslung auszuschließen.

Eichmann tarnte sich in Olivos auf beinahe perfekte Weise. Geflohenen Nazigrößen wurde meist unterstellt, dass sie über Geld und Schmuck verfügten und Luxus pflegten. Eichmann fiel in die Rolle des kleinen Angestellten zurück, fuhr jeden Tag pünktlich zur Arbeit und kehrte ebenso pünktlich heim. Er ging faktisch nie vor die Tür, und lebte seit acht Jahren völlig unauffällig mit seiner Familie.

Hilfreich war die Sensationslust der Medien. Nach dem Krieg tauchten immer wieder Berichte auf, Eichmann sei entdeckt worden: So meldete Ende der 1950er Jahre eine Zeitung, Eichmann befände sich in Kuwait, wo er für eine Ölfirma arbeite.

Das schien damals plausibel, denn viele Altnazis hatten Zuflucht in arabischen Staaten gesucht und gefunden, die Israel feindlich gegenüberstanden. Beispielsweise bauten deutsche Techniker und Ingenieure an Raketen für Nasser in Ägypten. Das lief so lange ungestört, bis der Mossad Briefbomben schickte.

Per Flugzeug oder per Schiff?

Nachdem der Mossad Eichmann in Argentinien entdeckt und zweifelsfrei identifiziert hatte, war zu entscheiden, wie er aus Argentinien nach Israel käme. Seinerzeit gab es keine Direktflüge von Tel Aviv nach Buenos Aires. Das sind 9.500 Meilen, solche Entfernungen waren damals nonstop nicht möglich.

Ein Flug konnte nur mit Zwischenstopps erfolgen: etwa im brasilianischen Recife und in Dakar in Senegal in Westafrika. Transport per Schiff schied aus, weil dieser Weg rund sechzig Tage in Anspruch genommen hätte. Etliche Zwischenhalte wären notwendig, mit dem enormen Risiko, dass alte und junge Nazis versuchten, Eichmann zu befreien.

Als Harel die Entführung plante, war Eichmann – zunächst unbemerkt – aus Olivos verzogen, in ein neues Haus in der Garibaldistraße von San Fernando, eine gute Stunde nördlich von Buenos Aires. Die Spur war noch warm, so dass ihn die Agenten auch dort aufspürten – wiederum durch die Observierung seiner mittlerweile erwachsenen Söhne.

Eine Sondermaschine zum Jubiläum

Isser Harel hatte mittlerweile einen Weg gefunden, Eichmann außer Landes zu bringen. Ende Mail 1960 wollte Argentinien den 150. Jahrestag seiner Gründung feiern. Die Regierung legte großen Wert auf die Teilnahme einer israelischen Delegation. Dadurch ergab sich die überraschende Möglichkeit, Eichmann per Flugzeug zu verfrachten.

Isser Harel selbst flog inkognito nach Buenos Aires, um die Aktion vor Ort zu leiten. Mehrere Teams wurden über komplizierte Routen eingeschleust. Einen Mann wie Eichmann verschwinden und ausfliegen zu lassen, war eine sehr spezielle Aufgabe. Alles musste verdeckt erfolgen, um den vorsichtigen Eichmann nicht zufällig zu warnen und zur Flucht zu animieren.

Am 11. Mai 1960 passte der Mossad seinen Arbeitsweg ab. Wie jeden Tag nahm Ricardo Klement alias Adolf Eichmann den Zug und danach den Bus, um nach Hause zu kommen. Fast vor seinem Haus in der Garibaldistraße wurde er von den Agenten überwältigt und im Auto zu einem angemieteten Versteck gebracht. Er war das letzte Mal, dass der ehemalige Beamte und Sachbearbeiter von der Arbeit kam.

Beim ersten Verhör gab Eichmann überraschenderweise sofort zu, wer er war. Er nannte seine NSDAP-Nummer und seine SS-Nummer, auch stimmten einige körperliche Merkmale mit den Informationen aus der Nazizeit überein.

Die Nazis kamen eine halbe Stunde zu spät

Mit dem Sonderflugzeug von El Al wurde Klement am 21. Mai 1960 unerkannt aus Argentinien ausgeflogen, getarnt als israelischer Staatsbürger, der in Buenos Aires einen Autounfall hatte. Er wurde unter Drogen gesetzt, damit er sich nicht wehrte.

Zu dieser Zeit hatte die Altnazis bereits alle Häfen, Grenzübergänge und Flughäfen überwacht, weil sein Verschwinden sofort die Runde machte und alte Seilschaften alarmierte.

Sein Sohn Klaus bestätigte Jahre später in einem Interview mit der deutschen Illustrierten Quiz, dass die Altnazis zu spät Wind von dem Sonderflugzeug bekamen, das auf dem Flughafen von Buenos Aires wartete. Als sie auf dem Vorfeld erschienen, um ihren Kumpanen zu befreien, war die Maschine bereits eine halbe Stunde in der Luft.

Sicher in Tel Aviv gelandet

Nachdem der Flieger (über Dakar) am 22. Mai 1960 unbehelligt in Tel Aviv gelandet war, wurde Eichmann der Polizei übergeben, die ihn im Camp Iyar internierte. Danach informierte Harel vier Leute: Fritz Bauer in Frankfurt am Main, Golda Meir und Chaim Laskow (Chef der Armee), die sich in Tel Aviv aufhielten.

Premierminister David Ben-Gurion weilte im Kibbutz Sde Broker, seinem Landsitz in der Negev, wohin er sich gelegentlich zurückzog. „Wir haben Eichmann“, sagte Harel, als er bei Ben-Gurion vorsprach. „Er ist in Israel.“

Wenig später trat der Ministerpräsident vors Parlament, für seine legendäre Ansage: „Ich muss der Knesset mitteilen, dass vor kurzem einer der wichigsten Nazikriegsverbrecher vom israelischen Geheimdienst aufgespürt wurde … Adolf Eichmann befindet sich bereits in Haft in Israel und wird in Kürze vor Gericht gestellt.“

Die emotionale Wirkung war überwältigend. In der Knesset fielen sich Abgeordnete weinend in die Arme. Viele hatten ihre Angehörigen in den Todeslagern der Nazis verloren. Keine jüdische Familie in Israel – oder andernorts auf der Welt – die keine Opfer zu beklagen hatten. Manche – viele – Familien waren ausgelöscht, bis auf ein oder zwei Überlebende. Eichmann war das Synonym der Monster, er war das Gesicht der Täter. Nun hatten ihn die Überlebenden geschnappt.

Fortan war die Ruhe vorbei

Für die Altnazis in Südamerika – oder anderswo – war es mit der Ruhe vorbei. Josef Mengele, der SS-Arzt von Auschwitz, sollte ursprünglich mit Eichmann gekidnappt und nach Israel gebracht werden. Die Israelis wussten, dass auch er sich in Buenos Aires verborgen hielt.

Allerdings verschwand Mengele im April 1960 plötzlich aus seinem Appartement – zunächst spurlos. Er tauchte in Paraguay und später in Brasilien unter, ein gehetzter Mann, ständig in der Furcht vor Entdeckung. 1979 erlitt er im Badeort Bertioga (zirka 65 Kilometer von Sao Paulo entfernt) beim Schwimmen einen Schlaganfall und ertrank. Er wurde unter falschem Namen beerdigt. Sechs Jahre später exhumierten Fahnder die Leiche, durch den Abgleich der DNS wurde seine wahre Identität enthüllt.

Status als Beamter auf Lebenszeit bestätigt

Franz Stangl, ehemaliger Lagerkommandant von Sobibor und Treblinka, wurde Ende der 1960er in Brasilien aufgespürt und nach Deutschland ausgeliefert. 1970 wurde ihm in Düsseldorf der Prozess gemacht, mit Urteil lebenslänglich.

Die Publizistin Gitta Sereny hat ein eindrucksvolles Portrait dieses Beamten geschrieben, mit dem sie lange sprach, bis zum Tag vor Stangls Tod durch Herzinfarkt Ende Juni 1971. Ausdrücklich wies Stangl daraufhin, warum er sich – ein österreichischer Kriminalbeamter – den Nazis als willfähriger Knecht andiente: „Ich war einfach ein Polizeibeamter, der seine Arbeit tat. Die Deutschen bestätigten meinen Status als Beamter auf Lebenszeit. Ich wurde zum Kriminaloberassistenten ernannt.“

Auch Stangl war – nach eigenen Angaben – gläubiger Katholik. Er war einem Aufruf von Kardinal Innitzer gefolgt, nach dem „Anschluss“ mit den Deutschen zu kollaborieren.

Ohne Beamtentum hatte die Mordmaschine der Nazis niemals so reibungslos und verheerend funktioniert. Diese speziell deutsche und österreichische Ausprägung der Gewissenlosigkeit und Verantwortungslosigkeit war eine der psychologischen Fundamente des Dritten Reichs. Ein dem Staat auf Eid und Befehl verpflichteter Diener steht echter Demokratie entgegen. Das ist heute nicht anders als damals – freilich in abgeschwächter, moderner Form.

Keine echte Demokratie mit Beamten

Als Teil der exekutiven Befehlskette werden sich Beamte in den meisten Fällen gegen ihr Gewissen stellen, gegen die eigene Vernunft – wenn es der Befehl „von oben“ erfordert. Längst nicht so monströs wie bei Eichmann, Mengele oder Stangl sind solche Einstellungen bis heute in den meisten Ämtern oder nachgeordneten Institutionen (Geheimdienste, Polizei, Bundeswehr, Zoll, Bürgerämter – und Schulen) zu beobachten.

Man kann durchaus sagen, dass der deutsche Staat bis heute seine Nazivergangenheit nicht bewältigt hat. Erst die Abschaffung des Berufsbeamtentums wäre ein Schritt zu echtem demokratischen Selbstverständnis – nicht als Diener des Staates, sondern seiner Bürger.

Exemplarisch ist der Fall des ehemaligen Gestapochefs von Frankreich, auch als „Schlächer von Lyon“ bekannt: Klaus Barbie war für „Endlösung“ der niederländischen und französischen Juden verantwortlich. Auch er war ein Subalterner von Eichmann im RSHA. Barbie ermordete unter anderem Jean Moulin, den Chef der französischen Resistance. Heute wird Moulin in Frankreich als Held verehrt.

Der Fall Barbie: Kanzler Kohl will keine Debatten

Er tauchte Mitte 1945 ab, war zehn Jahre als Agent der Briten und der Amerikaner unterwegs. Die Amis lieferten ihn – trotz Kenntnis seiner Identität und seiner Gräuel – nicht an die Franzosen aus. Denn in Frankreich wurde er in Abwesenheit dreimal zum Tode verurteilt. Statt dessen durft Barbie 1951 auf der Rattenlinie mit Hilfe des Vatikan nach Bolivien fliehen.

Dort war er im Rang eines Oberstleutnants mit der Abwehr von Guevaras Guerilla befasst, als Experte im Kampf gegen Partisanen. Noch 1966 arbeitete er für den Bundesnachrichtendienst als Informant.

Beate und Serge Klarsfeld spürten Barbie Anfang der 1970er Jahre in Bolivien auf, nach einem Tipp der Staatsanwaltschaft München. Ein Versuch des Mossad, ihn zu töten, schlug fehl. Erst 1983 wurde er wegen Steuerhinterziehung verhaftet.

Die Auslieferung an Deutschland wurde durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) verhindert, der keine neue Debatte über Nazischuld entfachen wollte. Also wurde Barbie nach Frankreich ausgeliefert und zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt, da die Todesstrafe mittlerweile abgeschafft worden war. Er starb im September 1991 im Knast in Lyon an Krebs.

Hannah Arendt: „Keine teuflisch-dämonische Tiefe“

Wie selbstverständlich die kleinen Beamten in den schwarzen Uniformen ins Räderwerk der Nazis passten, hat Hannah Arendt analysiert. Sie wohnte dem Prozess Eichmanns in Tel Aviv bei. Sie schrieb über den menschlichen Eichmann, dem man „beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen kann“.

Denn während des Prozesses gab sich der Kriegsverbrecher als korrekter Biedermann, als liebender Familienvater, der seinen Bossen durch den Eid verpflichtet – und darum nicht zu belangen war. Eichmann selbst sah sich als „Rädchen im Getriebe“, als „administrative Instanz der Endlösung“, als Funktionär des „Krieges gegen die Juden“, durch Befehl und Eid gewissensgeschützt.

Bruder Eichmann von Heinar Kipphardt

Besonders aufschlussreich ist die Einschätzung von Heinar Kipphardt, der mit seinem Drama Bruder Eichmann in den 1970ern und 1980ern für Furore sorgte. Darin zeichnet er den Weg des kleinen Angestellten aus der Industrie bis zum Chef des Judendezernats im Reichssicherheitshauptamt nach. „Genauer gesehen zeigt sich, dass die Eichmann-Haltung die gewöhnliche Haltung unserer heutigen Welt geworden ist, im Alltagsbereich wie im politischen Leben wie in der Wissenschaft, von den makabren Planspielen moderner Kriege, die von vorneherein in Genozid-Größen denken, nicht zu reden“, schrieb der Dramatiker.

Für ihn war Eichmann der folgsame Beamte, der gehorchende Diener des Staats, der Knecht, der Soldat, der nur Befehle ausgeführt hat; der durchschnittliche Bürger, der im System effizient funktioniert, der sein Gewissen an den Staat und den Führer delegiert: „die Selbstgerechtigkeit des Kleinbürgers und des Staats“.

Seinem Stück stellte er ein Zitat von Blaise Pascal voran: „Niemand tut so voll vollständig und so gut das Böse, als wenn man es mit gutem Gewissen tut.“

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© Verlag Solare Zukunft
Donnerstag, 22. April 2021

Endlich auf Deutsch: Michael E. Manns „Propagandaschlacht ums Klima“

Der renommierte Klimaforscher Michael E. Mann zeigt, wie die fossile Brennstoffindustrie seit 30 Jahren eine Kampagne führt, um von ihrer Verantwortung abzulenken. Sie will wirkungsvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel verzögern. Endlich ist die deutsche Übersetzung seines Bestsellers „The New Climate War“ erschienen.

Das Buch „The New Climate War“ gehört in den englischsprachigen Ländern zu den meistgelesenen Werken der Umweltbewegung. Nun ist es auf Deutsch erschienen: Unter dem Titel „Propagandaschlacht ums Klima“ wurde es von der DGS Franken herausgegeben und im Verlag Solare Zukunft veröffentlicht. Das Team um Matthias Hüttmann, Tatiana Abarzúa und Herbert Eppel wagte sich mutig an die Aufgabe, das anspruchsvolle Original für deutschsprachige Leser zu übersetzen.

Mann legt die Finger direkt in die Wunde

Michael E. Manns Buch legt die Finger direkt in die Wunde: Recyceln. Weniger fliegen. Weniger Fleisch essen. Das sind einige der Maßnahmen, von denen uns gesagt wurde, dass sie den Klimawandel verlangsamen können. Aber die übermäßige Betonung des individuellen Verhaltens ist das Ergebnis einer Marketingkampagne, die es geschafft hat,

Die Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie sind dem Beispiel anderer Branchen gefolgt, die ebenso die Schuld von sich weisen – man denke nur an „Waffen töten keine Menschen, Menschen töten Menschen“ – oder an das Greenwashing der Getränkeindustrie mit der Crying-Indian-Kampagne in den 1970er Jahren.

Blockieren, diskreditieren, sich der Verantwortung entziehen

Gleichzeitig blockieren sie Bemühungen, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid zu regulieren oder zu bepreisen, führen teure PR-Kampagnen durch, um praktikable Alternativen zu diskreditieren, und entziehen sich ihrer Verantwortung, das von ihnen geschaffene Problem zu lösen. Das Ergebnis ist für unseren Planeten verheerend.

In seinem Buch „Propagandaschlacht ums Klima“ vertritt Michael E. Mann die Ansicht, dass noch nicht alles verloren ist. Er beschreibt die Fronten zwischen den Verbrauchern und den Verursachern – den Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie, den rechtsgerichteten Plutokraten und den Ölstaaten.

Ein Vorschlag zur Rettung der Erde

Und er skizziert einen Plan, um Regierungen und Konzerne zu zwingen, aufzuwachen und echte Veränderungen vorzunehmen, einschließlich:

  • einer vernünftigen, realistischen Herangehensweise bei der Bepreisung von CO2 und einer Korrektur der gut gemeinten, aber fehlerhaften, derzeit vorgeschlagenen Version des Green New Deals,
  • einer fairen Konkurrenz zwischen erneuerbaren Energien und fossilen Energieträgern,
  • der Entlarvung falscher Narrative und Argumente, die sich in die Klimadebatte eingeschlichen haben und einen Keil zwischen diejenigen treiben, die Lösungen für den Klimawandel unterstützen,
  • der Bekämpfung von Klimauntergangsstimmung und Hoffnungslosigkeit.

Angesichts der immens mächtigen Interessen, die den Status quo der fossilen Brennstoffe verteidigen, wird der gesellschaftliche Wandel nur mit der aktiven Beteiligung der Bürger gelingen, die den gemeinsamen Vorstoß unterstützen. Dieses Buch will überall die Menschen erreichen, informieren und befähigen, sich dem Kampf um unseren Planeten anzuschließen.

Lob von Leonardo Dicaprio und Al Gore

In den USA schlug Manns Buch bereits hohe Wellen. „Dieses Buch führt die Leser hinter die Kulissen des jahrzehntelangen Informationskriegs der fossilen Brennstoffindustrie und denen, die ihre Interessen teilen“, urteilt Umweltaktivist und Schauspieler Leonardo Dicaprio. „Aus seiner Perspektive als Anführer im Kampf um die wissenschaftliche Vernunft, gibt Michael Mann Hoffnung und einen Fahrplan für uns alle, um die systemischen Probleme anzugehen und zeigt, wie wir zusammenkommen können, um den Kampf um unsere Zukunft zu führen.“

Der frühere Vizepräsident Al Gore lobte: „Michael Mann erklärt gekonnt die komplizierte Entwicklung der globalen Erwärmung und schildert anschaulich die ausgeklügelte und koordinierte Kampagne der Umweltverschmutzer, um die politischen Maßnahmen und Lösungen zu blockieren, die zur Lösung der Klimakrise erforderlich sind. Und, was am wichtigsten ist, er schlägt einen Weg nach vorne vor, der sowohl realistisch als auch optimistisch ist und die Leser zum Handeln inspirieren sollte.“

Auch Greta Thunberg und Jerry Brown empfehlen die Lektüre

Die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg bescheinigte Mann: „Die Unternehmen der fossilen Brennstoffe sind seit Jahrzehnten, länger als ich lebe, die größten Verursacher der Klimakrise, die meine Generation heute betrifft – all das unter der Prämisse und des Strebens nach Profit und Wachstum. In seinem Buch zieht Michael Mann sie zur Rechenschaft, und zeigt uns, wie wir die mutigen Schritte unternehmen können, die wir alle gemeinsam unternehmen müssen um den Kampf zur Rettung dieses Planeten zu gewinnen.“

Auch der frühere kalifornische Gouverneur Jerry Brown machte sich für dieses Buch stark: „Ohne Umschweife legt Michael Mann unsere missliche Lage dar und erzählt die erschütternde Geschichte der anhaltenden Klimaleugnung und der Täuschung durch die Unternehmen. Wir befinden uns in einem Krieg um den Planeten, aber einen, bei dem wir jetzt kurz davor sind, zu gewinnen. Und er durchschaut geschickt die Propaganda und zeigt uns den Weg nach vorne.“

Michael E- Mann: Propagandaschlacht ums Klima – Wie wir die Anstifter klimapolitischer Untätigkeit besiegen
Mit einem Vorwort von Prof. Volker Quaschning und einem Nachwort des Meteorologen Özden Terli,
ISBN 978-3-933634-48-1, Verlag Solare Zukunft
1. Auflage 2021, 440 Seiten
Preise: 29,00 Euro (D), 29,80 Euro (AT), 33,80 SFr (CH)

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© DGS Franken
Montag, 19. April 2021

Lektüre im Lockdown: Erinnerungen von Adolf Goetzberger erschienen

Der Physiker und Professor hat 1981 das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg gegründet. Er hat es gegen starke Widerstände verteidigt und ausgebaut. Interessant sind sein Lebensweg und seine Motivation - die Quelle seiner Beharrlichkeit.

Der Landesverband Franken der DGS hat ein spannendes Büchlein herausgegeben: die Memoiren von Prof. Dr. Adolf Goetzberger, dem Gründer und ersten Chef des Fraunhofer ISE in Freiburg. Genau vierzig Jahre nach der Gründung des weltweit ersten Forschungsinstituts zur Sonnenenergie – und nach wie vor eines der wichtigsten – liest sich die Entstehungsgeschichte nicht nur als spannender Rückblick.

Nicht mit Erreichtem zufrieden

Das Buch zeigt, wie wichtig engagierte Persönlichkeiten sind, die sich nicht mit Erreichtem zufrieden geben. Die nach vorn blicken, über den Tellerrand hinaus, und die in der Wissenschaft die Schaltstellen erobern, um wichtige Weichenstellungen durchzusetzen.

Adolf Goetzberger (Jahrgang 1928) arbeitete als junger Physiker unter William Shockley, dem Erfinder der gleichnamigen Diode und Wegbereiter der Transistortechnik. Shockleys Labor in der Nähe von Palo Alto in Kalifornien gilt als Keimzelle des späteren Silicon Valley.

Am Beginn des Silicon Valley

So hat Adolf Goetzberger die frühen Anfänge der Siliziumbranche und der Chipindustrie mitgemacht und mitgestaltet. Das war dem Sohn von Tabakhändlern aus München nicht in die Wiege gelegt. Im Krieg bekam er ein Physikbuch in die Hand, das ihn inspirierte.

Seine Karriere als Physiker begann er bei Walter Gerlach in München, einem der Begründer der Quantenmechanik. Er promovierte und ging in die Industrie, zu Siemens, um Transistoren auf der Basis von Germanium zu entwickeln. Die ersten Prototypen waren von Shockley und seinem Team in den USA erfunden worden.

Bekannte und legendäre Namen

Wir wollen an dieser Stelle nicht nacherzählen, welche Stationen der höchst interessante Lebensweg von Adolf Goetzberger durchlief. Spannend sind die menschlichen Begegnungen mit bekannten Namen, einige davon Nobelpreisträger, viele legendäre Gestalten der Halbleitertechnik und der Solarenergie.

Spannend ist der Abschnitt, den Goetzberger seiner Rückkehr nach Deutschland widmet, nun bereits ein anerkannter Experte. Mit 50 Jahren – andere räkeln sich in ihren Sesseln für den Ruhestand zurecht – nimmt er sein wichtigstes Projekt in Angriff: die Gründung eines Forschungsinstituts zur Solarenergie, das heutige Fraunhofer ISE.

Heute hat das ISE mehr als 1.100 Mitarbeiter

Gegen enorme Widerstände gelang es ihm, das Institut 1981 aus der Taufe zu heben. Es war das erste außeruniversitäre Solarforschungsinstitut in Europa. Frühe Themen waren der Fluoreszenzkollektor Fluko, eine transparente Wärmedämmung sowie Solarzellen aus Silizium und II-V-Verbundhalbleitern, Dünnschichtzellen sowie die Herstellung von preiswertem Solarsilizium. Im Jahr 1983 wurde am ISE der erste Wechselrichter für die Photovoltaik entwickelt.

Als Goetzberger 1993 in den Ruhestand ging, hatte das ISE 250 Mitarbeiter. Sein Nachfolger Joachim Luther, der es bis 2005 führte, verdoppelte die Zahl der Forscher. Unter der Ägide von Eicke Weber überschritt die Zahl der Mitarbeiter die Grenze von tausend. Heute hat das Institut mehr als 1.100 Mitarbeiter und mehr als 83 Millionen Euro Jahresbudget.

Einer der wichtigsten Akteure der solaren Energiewende

Zurück zum Gründer: Adolf Goetzberger hat nicht nur das Fraunhofer ISE aus der Taufe gehoben. Er war einer der wichtigsten Akteure der solare Energiewende in Europa, viele Jahre lang Präsident der International Solar Energy Society und der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie. Der Physiker hält mehr als 30 Patente. Die Liste seiner Auszeichnungen und Ehrungen ist beinahe unüberschaubar.

Auch nach seiner Pensionierung im Jahr 1994 beschäftigt sich Goetzberger noch mit Solartechnik, faktisch bis heute. Zwar hat er das Büro in „seinem“ Institut geräumt und sich ins Private zurückgezogen. Dort darf er zum Beispiel erleben, wie eine seiner frühesten Ideen – die Agri-PV – nunmehr Realität wird.

Die Lebenserinnerungen von Professor Goetzberger sind eine kurzweilige und sehr informative Lektüre. Sie bieten den Rückblick auf viele Jahrzehnte im Dienst der Energiewende, im Dienst der Sonnenenergie. Sie lassen ahnen, was möglich ist, wenn man sich einer guten und sinnvollen Aufgabe widmet.

Adolf Goetzberger: Mein Leben – Ein Leben für die Sonne und wie es dazu kam
ISBN 978-3-933634-47-4, 1. Auflage 2021, 138 Seiten
Preis: 20,00 Euro (D), 20,60 Euro (AT), 23,30 SFr (CH)

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