C’est le vent, Betty
Der französische Regisseur Jean-Jacques Beineix hat nur wenige, dafür wunderbare Filme gedreht. Mit Betty Blue nach einem Roman von Philippe Djian gelang ihm ein unvergessliches Werk, das bis heute inspiriert – und berührt.
Mit 75 Jahren ist Jean-Jacques Beineix in Paris gestorben. Er gehörte zur zweiten Generation der großen Regisseure der Nouvelle Vague, prägend für das europäische Kino der 1980er Jahre.
Der studierte Mediziner begann seine Filmkarriere in den 1960er Jahren, unter anderem als Regieassistent von Jean Becker bei der Fernsehserie Eine französische Ehe (1964). Seinen ersten eigenen Kurzfilm drehte er 1977: Le Chien de Monsieur Michel.
Zwei große Kinoerfolge
Seine größten Erfolge – beide heute mit Kultstatus – wurden Diva und Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen. Für Diva, seinen Erstling aus dem Jahr 1982, erhielt er vier Césars. Betty Blue (1987) wurde als bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert.
Die Vorlage lieferte der gleichnamige Roman von Philippe Djian aus dem Jahr 1985, der schnell zu einem internationalen Bestseller avancierte:
Ils avaient annoncé des orages pour la fin de la journée, mais le ciel restait bleu et le vent était tombé.
Sie hatten für den Abend ein Unwetter vorhergesagt, aber der Himmel blieb blau, und der Wind hatte sich gelegt.
So beginnt dieser Roman, in einem Liebesnest an der französischen Küste. Es ist die Geschichte von Betty und Zorg, im Film verkörpert von Beineix‘ Neuentdeckung Beatrice Dalle und von Jean-Hugues Anglade, dem mit diesem Film der Durchbruch als Schauspieler gelang.
Eine moderne Amor fou
Der Roman ist die moderne, französische Version des großen Liebesdramas, zwischen Ekstase, Streit und Verzweiflung, eine Amor fou zwischen Obsession, Sehnsucht und Tod, so einfach und großartig, dass ein Leser der deutschen Ausgabe Mitte der 1990er Jahre beschloss, unbedingt Französisch zu lernen, um das Original zu lesen.
Beineix ist es gelungen, die kraftvolle, literarische Sensation des Romans mit eigener Bildsprache anzureichern. Die beiden Hauptdarsteller – Beatrice Dalle hatte damals keine Erfahrung als Actrice – schrieben Kinolegende. Millionen Zuschauer sahen den Film in den Kinos oder später auf CD; er traf ins Herz, formidable et doux-amer et désespéré, unvergessliche Szenen – und immer wieder der warme Wind vom Meer.
Filmmusik von Gabriel Yared
Diese grandiose Verfilmung wurde durch die Filmmusik von Gabriel Yared auf unerhörte Weise ergänzt, getrieben, untermalt. Selten ist ein Kunstwerk aus Roman, Film und Sound so gelungen, wie in diesem Fall.
So nehmen wir den Tod des Regisseurs zum Anlass, die Scheibe einmal mehr ins Laufwerk zu legen. Écoute, ma petite, c’est le vent!
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