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H. S. Eglund

Schriftsteller • Writer • Publizist

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Käthe Kollwitz/VdK
Donnerstag, 1. Mai 2025

Käthe Kollwitz: Arbeit! Frieden! Brot!

Ende April 1945 rückt die Rote Armee auf Meißen und Dresden vor. In Moritzburg stirbt eine Künstlerin, die den Frieden herbeisehnte – ihr Leben lang. Für die alte Frau schwiegen die Waffen zu spät. Rückblick, ein Menschenalter danach.

In den Nachmittagsstunden des 24. April 1945 bewegte sich ein kurzer Trauerzug von der Moritzburger Friedhofskapelle zur Grabstelle an der Mauer. Sechs alte Leichenträger in schäbiger Kleidung trugen den kiefernen Sarg. Knapp ein Dutzend Menschen bildeten das Trauergeleit. Von der Kapelle her erklang das monotone Gebimmel der Totenglocke; es vermischte sich mit dem Kampflärm der nahe gerückten Front.

Dieser Bericht stammt vom Maler Otto Nagel, zeitlebens enger Freund von Kollwitz. Abgedruckt ist er im bildgewaltigen Konvolut, das die Akademie der Künste der DDR im Jahr 1962 vorlegte. Darin wird das beeindruckende Werk und das Leben von Käthe Kollwitz gesichtet, eingeordnet und erläutert.

Neu ins Bewusstsein gerückt

Es ist bleibendes Verdienst Nagels, dass er die verstorbenen Mahnerin neu ins Bewusstsein rückte. Wenn man das Buch heute zur Hand nimmt, offenbart es verblüffende Schlichtheit. Es komm ohne jeden Pathos aus.

In der DDR der 1970er und 1980er Jahre gehörten die Arbeiten der Kollwitz zum offiziellen Kanon. Sie wurde als Kämpferin gegen den Imperialismus definiert, ihre Grafiken und Plastiken schmückten die Geschichtsbücher. Als Ikone galt ihr Linolschnitt vom aufgebahrten Karl Liebknecht, an dessen Leichnam trauernde Arbeiter defilieren.

Ohne Pathos, ohne Mystik

1962 kommt Nagel noch ohne Pathos aus, ohne Mystik von Revolution, Kampf und Aufbau. Worte wie Sozialismus oder Imperialismus kommen in dem gut lesbaren Text überhaupt nicht vor. Hier steht Käthe Kollwitz als Mensch, den Nagel außerordentlich gut kannte.

Otto Nagel war Anfang der 1920er Jahre bereits ein bekannter Künstler. Für Käthe Kollwitz stellte er den Kontakt zum linken Verleger Willi Münzenberg her. Nagel war auch eng mit Heinrich Zille (1858-1929) befreundet.

Ausstellungen in Sowjetrussland

Im Jahr 1932 organisierte er Kollwitz-Ausstellungen in Moskau und Leningrad, die er selbst mit Vorträgen eröffnete. Unter den Nazis als Arbeitermaler verschrien, saß er bis 1937 im KZ Sachsenhausen und schlug sich bis Kriegsende als Straßenmaler durch.

Nach dem Krieg gründete er in der sowjetischen Besatzungszone den Kulturbund mit, war zwischen 1953 und 1958 Professor an der Kunsthochschule in Weißensee, von 1956 bis 1962 Präsident der Akademie der Künste der DDR. Dennoch ließ er sich nicht der Politik vereinnahmen, forderte freie Kunst. Sein Grab in Friedrichsfelde ist Ehrengrab des Landes Berlin.

Eckhaus am Kollwitzplatz

In Friedrichsfelde liegt auch Käthe Kollwitz, an der Seite ihres Mannes Karl, der im Juli 1940 verstarb. Beide hatten viele Jahre am damaligen Wörther Platz in Prenzlauer Berg gewohnt, seit 1947 in Kollwitzplatz umbenannt.

Das Eckhaus lag in der Weißenburgerstraße, heute Kollwitzstraße. Im Krieg zerbombt, befindet sich heute am schmucklosen Neubau eine Hinweistafel. Das Ehepaar Kollwitz war im Kiez nicht unbekannt. Frühzeitig hatte sich der Arzt Karl Kollwitz mit den sozialen Ursachen von Armut, Elend und Hunger befasst.

Kompromisslos bis zur Schmerzgrenze

Seine Frau fand dafür eine Bildsprache, die in ihrer Klarheit und Schlichtheit unerreicht blieb. 1927 schrieb Otto Nagel in einem Aufsatz: „Käthe Kollwitz schöpft aus dem Leben selber. Dies gibt ihrem Schaffen die ungeheure Kraft und Eindringlichkeit.“

Kompromisslos bis zur Schmerzgrenze prangert sie Elend, Armut und Krieg an. Das wirkte politisch, in höchstem Maße politisch, wie jeder Widerstand gegen das Unrecht in der Welt. Es ist aber nicht politisierend, sondern künstlerische wie kulturelle Meisterschaft. Jeder Mensch – egal, aus welchem Kulturkreis oder welcher Weltecke – versteht ihre Plastiken und Zeichnungen sofort.

Fragen an Dich und Mich

Otto Nagel schrieb: „Jedes Blatt behandelt brennende Fragen für dich und für mich, für uns alle.“ Schon in den 1890er Jahren hatte sich die Kollwitz mit ihren frühen Versuchen zum Weberaufstand und zum Elend von jeglicher Mode verabschiedet.

Nach dem Ersten Weltkrieg kam der Expressionismus auf, Dada machte Furore. Dagegen Kollwitz: Sie trat mit einer Klarheit auf, die an Albrecht Dürer erinnert – allerdings mit deutlich gröberem Strich. Seit Dürer hat niemand so ausdrucksstarke Hände gezeichnet, und Hände sind in der Malerei bekanntlich das Schwerste.

Striche, die anklagen, schreien

Kein Strich in ihren Bildern, der nicht Stellung nimmt, der nicht schreit, nicht anklagt. Dieses Urteil von Otto Nagel hat uneingeschränkte Gültigkeit: „Was uns bei ihrer Kunst packt, aufrüttelt und erschüttert, sind Menschenschicksale und Menschenherzen, sind Krieg, Hass, Kampf, Liebe, Freiheit, Not und Tod.“

Die Askese ihrer Figuren ist in Hunger und Zermürbung begründet. Es gibt etliche Fotos oder Selbstbildnisse von der Kollwitz, nur auf einem Bild lächelt sie. Heldisches Pathos, Sucht nach Ruhm oder nationale Verklärung von Gewalt und Eroberung fehlen bei ihr völlig.

Nach dem Großen Krieg setzte sie große Hoffnungen in die junge Republik. Ebenso groß war ihre Enttäuschung, sowohl über den Wankelmut der Sozialdemokraten, wie über die Kommunisten, die sich in Flügelkämpfen zerstritten und kaum Alternativen boten.

Unrecht als zentrales Thema

Käthe Kollwitz hat soziales Unrecht schon vor 1914 zum wichtigsten Thema ihres künstlerischen Ausdrucks gemacht. Angeregt durch Gerhart Hauptmanns „Weber“ schuf sie 1897 den Blätterzyklus „Der Weberaufstand“.

Adolph von Menzel empfahl ihn für eine Auszeichnung, doch der Kaiser verweigerte die Ehrung. Unmöglich konnte er Aufruhr und Ungehorsam offiziell goutieren.

Aus dem Kiez kannte sie die tägliche Not der Proletarierfamilien, die die Frauen am härtesten traf. Denn zur prekären finanziellen Lage und Obdachlosigkeit kamen Alkohol und männliche Gewalt. Zudem blieben die Frauen bei der Versorgung ihrer Kinder meist auf sich allein gestellt. Seit der Jahrhundertwende entwickelte Käthe Kollwitz ihren charakteristischen Stil, der das Elend unverblümt zeigte.

Verlust und Schmerz

Das Ehepaar hatte zwei Söhne. Hans (geb. 1892) wurde später gleichfalls Mediziner. Er überlebte beide Kriege, war nach 1945 Amtsarzt in Tempelhof und starb 1971 in Westberlin. Peter (geb. 1896) war nur kurzes Leben bestimmt: Zehn Tage nach seinem Abmarsch zur Westfront fiel er in der Flandernschlacht, im Oktober 1914.

Mit dem Tod des Sohnes begann ihr persönlicher Kampf gegen den Krieg, gegen den Wahnsinn des massenhaften Mordens in den Schützengräben in Belgien, Frankreich und Russland. 1916 schrieb sie:

Nun dauert der Krieg zwei Jahre, und fünf Millionen junge Männer sind tot, und mehr als nochmal so viele Menschen sind unglücklich geworden und zerstört. Gibt es noch irgend etwas, was das rechtfertigt?

Alle betrogen!

In der DDR hat man versucht, ihr Werk in die Nähe von revolutionären Strömungen zu rücken. Man kann Otto Nagels Werkschau aus dem Jahr 1962 durchaus als Versuch werten, dieser Entstellung entgegen zu wirken. Er zitiert aus einem Brief der Kollwitz:

Wir waren alle betrogen damals. Und der Peter lebte vielleicht noch, wenn nicht dieser furchtbare Betrug gewesen wäre. Der Peter und Millionen, viele Millionen anderer. Alle betrogen.

Unwillkürlich ist man an die Romane von Erich Maria Remarque erinnert, oder an „Krieg“ und „Nachkrieg“ von Ludwig Renn. Über die Novemberrevolution von 1918 schrieb sie:

Es ist wohl eine Enttäuschung da. Nach dem Zentnerdruck der Kriegsjahre, nach dem vollkommenen Zusammenbruch des Alten, nachdem nun Deutschland nackt, neu, noch ganz ungeprägt und ungestempelt dastand – erwartete man alles. Das Kühnste. Ganz neues. Man lechzte nach Wahrheit, Brudersinn, Weisheit. Das waren die Revolutionstage. Was geworden ist, hat ein etwas anderes Gesicht bekommen, als man geträumt hat. Das Kind ist kein Wunderkind geworden, sondern ähnelt seinen Eltern etwas sehr.

Eine Zeichnung aus dem Leichenhaus

Ein Jahr später war die Revolution im Blut ertränkt. Luxemburg und Liebknecht wurden viehisch ermordet, mit ihnen viele andere. In einem Brief berichtete sie ihrer Freundin, dass sie am Begräbnistag früh im Leichenhaus eine Zeichnung von Karl Liebknecht machte:

Er sah sehr stolz aus. Um die zerschossene Stirn waren rote Blumen gelegt.

Das hat eher etwas Mütterliches, das ist keine heldische Pose. Ihre Zeichnung des Ermordeten geht Jahrzehnte später in die Geschichtsbücher der DDR ein. Da wurde der Mord an Liebknecht zum Märtyrertod stilisiert, um andere Opfer zu rechtfertigen.

Mit den Intentionen der Künstlerin hatte das nichts zu tun. Ihre Bilder mahnen, rütteln auf, zwingen dazu, sich gegen Unrecht zu stellen – im Kleinen wie im Großen. Über ihre letzten Stunden 1945 schrieb Otto Nagel:

Die Mütterlichkeit, mit welcher sie selbst ein Leben lang die Menschen beschenkt hatte, war ihr in dieser schweren Zeit als schmerzendes Leid geblieben. Der Tod, dem sie nicht feind war, mit dem sie eigentlich ihr ganzes Leben lang freundschaftliche Gespräche geführt hatte und den sie doch so fürchtete, war schneller mit seiner Umarmung.

Peters Grab in Flandern

Im Juni 1924 reiste sie mit Karl Kollwitz nach Roggevelde in Belgien, zum Soldatenfriedhof mit Peters Grab. Nie hat sie diesen Verlust verwunden, trotz des erneut aufkommenden Heldengeschreis in den Medien und politischen Zirkeln der Weimarer Republik:

Und nun dieser Eindruck: Kreuz an Kreuz! Bei manchem war das ursprüngliche größere Holzkreuz, verwittert schon, heruntergenommen, meist aber waren es niedere gelbe Holzkreuzchen. Ein kleines Blech in der Mitte trug den Namen und die Nummer. So fanden wir unser Grab. Wir schnitten von einem blühenden Heckenrosenstrauch drei Röschen ab und steckten sie am Kreuz in die Erde. Sein Letztes liegt da im Reihengrab, ziemlich eng aneinander die gleichmäßigen Kreuzchen. So ist der ganze Friedhof, meist nackte gelbe Erde. Alles ist still, aber die Lerchen jubeln.

1932 stellte sie zwei gewaltige Plastiken ans Grab, gewaltig im Sinne von unsagbarer Trauer. Mutter und Vater im Gram gebeugt, tragen ihr und Karls Antlitz. Sie stehen noch heute, der Stein überstand die Zeiten.

Kinder standen Modell

In frühen Arbeiten hat Kollwitz oft das Elend der Berliner Arbeiterfamilien dargestellt. Ihre Zeichnungen von hungernden oder schlafenden oder sterbenden Kindern lassen niemanden unberührt. Damals standen meist Hans und Peter Modell, ihre Züge finden sich in berühmten Grafiken.

Ihre wichtigste Arbeit – die Pieta – hat sie Peter gewidmet. Sie entstand 1938. Das Original befindet sich im Käthe-Kollwitz-Museum in Köln: Eine verzweifelte Mutter hält ihren toten Sohn im Schoß. Seit 1993 hockt die vergrößerte Replik in der Neuen Wache in Berlin, Unter den Linden.

Nach dem Sohn auch der Enkel

Im September 1942 fiel ihr Enkel Peter, Sohn von Hans Kollwitz, im fernen Russland. Das Schicksal schien sich zu wiederholen. Kurz darauf entstand ihre letzte grafische Arbeit. Danach legte sie den Griffel für immer aus der Hand.

Ein Jahr später wurde sie wegen der Bomben aus Berlin evakuiert. Mitte Mai fuhr sie zunächst in den Harz. Da stand das geliebte Haus in der Weißenburgerstraße noch.

Ende 1944 erhielt Otto Nagel die letzte persönliche Nachricht von ihr – aus Moritzburg bei Dresden. Dort hatte ihr ein sächsischer Prinz und Liebhaber ihrer Kunst eine Unterkunft angeboten, im Nebengelass des Schlosses. Am Karfreitag 1945 (30. März) kam Hans Kollwitz ein letztes Mal aus Berlin, um seine Mutter zu besuchen. Aus seinen Erinnerungen:

Ich las ihr die Ostergeschichte aus dem Matthäusevangelium, die sie früher so oft als Oratorium gehört hatte, und den Osterspaziergang aus ihrem geliebten Faust vor. Wie eine Königin im Exil wirkte sie, trotz aller Zerstörungen von einer bezwingenden Güte und Würde. Das ist das letzte Bild, das ich von ihr habe.

Käthe Kollwitz starb drei Wochen später, am 22. April 1945. Bis zuletzt hatte sie ihre Enkelin Jutta um sich. Noch einmal sei Otto Nagel zitiert:

Die Glocke der Kapelle auf dem Moritzburger Friedhof schwieg. Der Lärm krepierender Granaten und krachender Bomben, der von Meißen herübertönte, kündete das bevorstehende Ende von dem, was sie, deren Sterbliches man in die Erde bettete, so sehr gehasst hatte. Der Frieden, auf den sie vergeblich gewartet und gehofft, kam zu spät für die alte Frau in Moritzburg.

Mitte Juli wurde ihr Leichnam aus der Grabstelle an der Moritzburger Friedhofsmauer exhumiert und in Meißen eingeäschert. Wie es Käthe Kollwitz gewünscht hatte, wurde die Urne nach Berlin überführt und auf dem Friedhof in Friedrichsfelde neben ihrem Mann bestattet.

Die Zitate und Bilder entstammen dieser Werkschau:

Käthe Kollwitz
von Otto Nagel
herausgegeben von der Akademie der Künste der DDR
VEB Verlag der Kunst Dresden, 1963
(ohne ISBN, abgekürzt VdK)

Dauerhafte Ausstellungen:

Kollwitz-Museum in Berlin

Käthe Kollwitz Museum Köln

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H.S. Eglund
Donnerstag, 10. April 2025

Video: Axum – Sagenhaftes Puntland der Pharaonin

Karges Land in brütender Hitze: Nahe der Grenze von Äthiopien nach Eritrea liegt die Stadt Aksum, auf dürrem Terrain, das zu trocken und zu ausgedörrt ist, um gute Frucht zu ernten. Und doch vermuten Archäologen ausgerechnet hier Punt, legendäres Paradies der alten Ägypter.

Inschriften der Kaiserin Hatschepsut belegen, dass sie schon 15 Jahrhunderte vor Beginn unserer Zeitrechnung eine große Expedition aussandte, um mit den sagenhaft reichen Herrschern von Punt ins Geschäft zu kommen.

Im Totentempel der Pharaonin wird Punt wegen seiner Erze, seines Holzes und der Myrrhe gelobt. Heute ist davon in Aksum nichts mehr zu entdecken. Dennoch weisen Ausgrabungen und vor allem seltsame Obelisken daraufhin, dass dieser Weltwinkel einst sehr reich und fruchtbar war.

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Zum Roman: Nomaden von Laetoli

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Dienstag, 7. Januar 2025

Aktueller Ratgeber für 2025: 250 Tipps für solaren Eigenstrom

Die Redaktion des Fachmediums photovoltaik hat einen aktuellen Ratgeber erstellt – für private und gewerbliche Solarkunden. Er informiert praxisnah über Photovoltaik, Stromspeicher, elektrische Heizsysteme, E-Mobilität und Kleinwindkraft. Der Ratgeber steht zum kostenlosen Download bereit.

Ob eigenen Strom vom Dach fürs Eigenheim oder für Unternehmen, Landwirte sowie Kliniken oder Schulen. Eine Investition in Solarstrom lohnt sich auf mehreren Ebenen. Mit einem kundigen Planer und Installateur an Ihrer Seite können Sie selbst komplexe Versorgungskonzepte bedarfsgenau planen, installieren und nutzen – um Ihre Energiekosten nachhaltig zu senken.

Abbau von bürokratischen Hürden

Der Solarkunde sollte wissen, was er braucht und die richtigen Fragen stellen. Dabei hilft der Ratgeber 2025 mit Tipps zu verschiedenen Aspekten der solaren Energieversorgung rund um die saubere Versorgung mit Strom, Wärme und Mobilität.

Zudem wurde eine Übersicht über die finanzielle Förderung und deren Anlaufstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erstellt. Es wird erklärt, welche Rechte und Pflichten mit dem Betrieb von Solaranlagen verbunden sind. Das aktuelle EEG, steuerliche Vereinfachungen und das anstehende Solarpaket wurden berücksichtigt.

Möglichst hohe Autarkie erreichen

Das Themenspektrum des Ratgebers umfasst Photovoltaik, Solarstromspeicher, solarelektrische Raumwärme und Warmwasser, Kühlung, Lüftung und Kältetechnik, Elektromobilität, Brennstoffzellen, BHKW, Kleinwindkraft, PVT-Kollektoren, Preisinformationen, Rechte & Pflichten sowie Steuertipps. Ein umfangreiches Adressverzeichnis für Installateure und Planer erleichtert die regionale Suche und Kontaktaufnahme.

250 Praxistipps zum kostenlosen Download

Der Ratgeber 2025 „250 Praxistipps für Autarkie“ steht online als PDF nach kurzer Registrierung zum kostenlosen Download bereit. Er wurde speziell für private und Gewerbekunden entwickelt und enthält viele Tipps rund um die solare Eigenversorgung.

Neu in dieser Auflage sind umfangreiche Trendberichte zu Balkon-PV, bidirektionalem Laden, elektrischen Direktheizungen (Infrarot) und Gemeinschaftsanlagen. Das Werk hat knapp 200 Seiten.

Hier geht es zum kostenlosen Download (nach Registrierung)

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  • Maitre Gerry Kasaija und sein Team hatten ein wunderbares Buffet gezaubert. © Conny Vischer
  • Der Autor bei der Arbeit. © Conny Vischer
Freitag, 1. November 2024

Kulinarische und literarische Feinkost in Zürich

Im Restaurant African Queen standen die Nomaden von Laetoli im Mittelpunkt einer spannenden Lesung. Das Publikum ließ sich anregen, diskutierte kräftig und langte ordentlich zu: Am Buffet warteten erlesene Speisen aus Afrika.

Schon zum zweiten Mal kam Eglund zum Lesefest Zürich liest und ins Restaurant African Queen am Hauptbahnhof. Mehr als zwanzig Plätze waren gefüllt, ebenso das Buffet mit speziellen Gerichten aus verschiedenen Regionen Afrikas. So kam das Publikum zwiefach auf seine Kosten: leiblich und geistig, Freude für Gaumen und Seele.

Das Publikum ließ sich fesseln, wagte den Sprung zum Rift Valley, zum Grabenbruch im Osten Afrikas. Leseproben aus dem Roman Nomaden von Laetoli wechselten sich mit Getränken und Speisen ab. Am Ende diskutierten Publikum und Autor lebhaft über nomadisierende Frühmenschen und den Nomaden, der in jedem von uns steckt.

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Donnerstag, 3. Oktober 2024

African Queen – Eglund liest in Zürich

Ende Oktober 2024 findet wieder das herbstliche Literaturfest in der Schweizer Metropole statt. Eglund stellt im Restaurant African Queen seinen Roman Nomaden von Laetoli vor – und kulinarische Delikatessen aus Ostafrika.

Am 26. Oktober 2024 findet ab 18 Uhr im Restaurant African Queen (Stampfenbachstrasse 70) eine Romanlesung mit äthiopischem Buffet statt. Zunächst erläutern Wirt und Autor kulinarische Kostbarkeiten aus dem ostafrikanischen Land. Das Dinner wird von einer Lesung aus dem Roman Nomaden von Laetoli begleitet.

Nomaden von Laetoli – der Roman

Der Roman spielt unter anderem in der Hauptstadt Addis-Abeba und Axum, im Norden Äthiopiens. Eintritt (inkl. Speisen): 60 CHF, um Anmeldung wird gebeten (mail@vicon-verlag.ch).

Flyer zum Download und zur Weitergabe

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Rückblick: Eglund im Oktober 2023 bei Zürich liest

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© Daimler/Powerstrust/Wirsol/Solarwatt
Montag, 30. September 2024

Sonnenstrom für Firmen: Mehrbelastung oder Vorteil im Wettbewerb?

Der nächste Treffpunkt Sonnenbürger in Leipzig bringt Akteure der Energiewende mit Bürgerinnen und Bürgern zusammen. Am 6. November 2024 geht es um Sonnenstrom für Gewerbe und Industrie. Mit Sonnenstrom von Dächern und Fassaden die Energiekosten senken – Märchen oder Chance?

Gastgeber ist Heiko Schwarzburger, Chefredakteur des Fachmagazins photovoltaik. Im soziokulturellen Zentrum Budde-Haus in Leipzig-Gohlis führt er kurz in das Thema ein und präsentiert einige Beispiele. Anschließend diskutiert er mit Dr. Tilman Zimmermann-Werner, Geschäftsführer der Sächsischen Energieagentur (Saena). Die Saena unterstützt zahlreiche Projekte im Freistaat und berät Unternehmen bei der Energiewende.

Beratung von sächsischen Unternehmen durch die Saena

Neben Fragen der Investition und Amortisation geht es um die systematische Analyse von Firmengebäuden, damit sie sich selbst mit sauberem Strom versorgen. Denn große Dächer, Fassaden und Überdachungen von Parkplätzen bieten zahlreiche Möglichkeiten, um die Energiekosten, Emissionen und somit CO2-Steuern zu senken.

Maschinenbaufabrik in Sachsen produziert mit Solarstrom – auch aus dem Speicher

Die Veranstaltung im Überblick

Sonnenstrom für Firmen: Mehrbelastung oder Vorteil im Wettbewerb?
Solare Energiewende – Mehr Demokratie wagen!
Gespräch und Diskussion am 6.11.2024 ab 19 Uhr
Saal des Budde-Hauses – Soziokulturelles Zentrum Leipzig-Gohlis
Lützowstraße 19, 04157 Leipzig

Hier finden Sie alle Veranstaltungen der Budde-Villa in Leipzig-Gohlis.

Die Veranstaltungsreihe soll Bürgerinnen und Bürger Leipzigs ermuntern, die Energiewende in die eigenen Hände zu nehmen. Sie bringt Menschen und ihre Projekte zusammen, um nützliche Informationen auszutauschen und vorhandene Kompetenzen und Erfahrungen zu nutzen.

Ratgeber 2024: 222 Tipps für solaren Eigenstrom

Auch konträre Argumente kommen zur Diskussion. Veranstalter sind das Budde-Haus und das Fachmedium photovoltaik, vertreten durch Chefredakteur Heiko Schwarzburger.

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Solaranlage mit 16 Kilowatt für das Parthebad in Taucha errichtet

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© H.S. Eglund/Jürgen Schrödl
Donnerstag, 19. September 2024

Treffpunkt Sonnenbürger in Leipzig: Solare Fassaden gewinnen an Bedeutung

Architektur und Solartechnik zu verbinden, ist bislang eine Nische. Weil die Sache komplex ist und besonders viele Vorschriften zu beachten sind, gelten Solarfassaden als Königsklasse der Energiewende. Zunehmend werden sie sichtbar. Denn sie bieten neue Möglichkeiten zur ästhetischen Gestaltung und senken die Betriebskosten der Gebäude.

Beim dritten Treffpunkt Sonnenbürger am 18. September 2024 im Kulturzentrum Budde-Haus im Leipziger Stadtteil Gohlis wurde wieder kräftig diskutiert. Ein heißes Thema stand auf dem Programm: Gibt die Solartechnik an der Fassade den Architektinnen und Architekten neue Möglichkeiten an die Hand? Welche Chancen ergeben sich für die Betriebskosten der Gebäude, wenn Dächer und Fassaden sauberen Strom erzeugen?

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Beispiel ist der neue DHL-Campus in Schkeuditz: Das Parkhaus wurde mit einer 140 Meter langen Solarfassade verkleidet, die eine dreidimensionale Welle darstellt. Die Giebel nach Osten und Westen wurden gleichfalls mit Solarmodulen belegt, ebenso das Dach. Ein echter Hingucker, der zudem durch geringe Nebenkosten überzeugt.

Podcast: Darum brauchen wir eine starke Solarindustrie

Gastgeber war Heiko Schwarzburger, Chefredakteur des Fachmagazins photovoltaik. Im soziokulturellen Zentrum Budde-Haus in Leipzig-Gohlis diskutierte er mit Cornelia von Domaros und Sebastian Graf vom Architekturbüro Von Domaros sowie mit Hannes Koefer vom Projektentwickler Leiptziger Stadtbau AG.

Das Team hat den Campus geplant und die Solarfassade – trotz der hohen Anforderungen durch Bauvorschriften und Brandschutz geplant und realisiert. Für die Architekten und den Projektträger war es das erste Projekt dieser Art. Weitere sind bereits in Planung.

Webseite der Leipziger Stadtbau AG

Website des Architekturbüros Von Domaros in Leipzig

Solarfassade: Ästhetische Wellenfront für Parkhaus in Leipzig

Schnell entspann sich ein Ideenaustausch mit dem Publikum, das Fachleute und Laien vereinte. Nun richten sich die Blicke nach vorn, auf den nächsten Termin im Herbst:

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Solare Energiewende – Mehr Demokratie wagen!
Gespräch und Diskussion am 6.11.2024 ab 19 Uhr
Saal des Budde-Hauses – Soziokulturelles Zentrum Leipzig-Gohlis
Lützowstraße 19, 04157 Leipzig

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Die Veranstaltungsreihe Treffpunkt Sonnenbürger soll Bürgerinnen und Bürger Leipzigs ermuntern, die Energiewende in die eigenen Hände zu nehmen. Sie bringt Menschen und ihre Projekte zusammen, um nützliche Informationen auszutauschen und vorhandene Kompetenzen und Erfahrungen zu nutzen.

Auch konträre Argumente kommen zur Diskussion. Veranstalter sind das Budde-Haus und das Fachmedium photovoltaik, vertreten durch Chefredakteur Heiko Schwarzburger.

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© AltaSea
  • 77 neben der Pose: Wir gratulieren! © H.S. Eglund
  • Das Bett seiner Kindheitsträume. © H.S. Eglund
  • Typische Wandtafel aus der Volksschule in Thal, Mitte der 1950er Jahre. © H.S. Eglund
  • Einfache Sitzecke für die Familie Schwarzenegger: Mutti, Vater und zwei Brüder. © H.S. Eglund
  • Das Haus wurde 1806 erbaut. Entsprechend spartanisch war die Küche eingerichtet. © H.S. Eglund
  • Fitness-Klubs gab es damals noch nicht, zumindest nicht in Österreich. © H.S. Eglund
  • Mit einfachsten Mitteln begann er damals sein Training. © H.S. Eglund
  • Wie jeder junge Mann musste auch Arnold Alois zum Bundesheer. © H.S. Eglund
  • Sein Schreibtisch aus dem Office des Gouverneurs von Kalifornien. © H.S. Eglund
  • Wachsfigur des Governators im Museum in Thal. © H.S. Eglund
  • Hier ist er 2011 mit Secretary of the Interior Ken Salazar bei der Inbetriebnahme eines solarthermischen Kraftwerks zu sehen. © DOI/Tami A. Heilemann
  • Als Gouverneur von Kalifornien engagierte sich Arnie für große Spiegelkraftwerke in der Wüste. © DOI/Tami A. Heilemann
  • Solaranlage auf dem Blatterlhof, in unmittelbarer Nachbarschaft von Schwarzeneggers Geburtshaus. © H.S. Eglund
Dienstag, 6. August 2024

Für Arnie zum Jubiläum – die Sonne und der Muskelprotz

Im Geburtshaus des Athleten, Schauspielers, Politikers und Aktivisten der Solarbranche kann man Mut tanken. Denn kein Traum, keine Vision scheint zu groß, um sie nicht zu erreichen. Ein Besuch in Thal bei Graz.

Arnold Alois Schwarzenegger feierte Ende Juli ein Jubiläum, die Dekoration an seinem Geburtshaus in Thal weist darauf hin. In Hollywood-Manier, überhaupt nicht staatstragend oder steirisch-konservativ, eher fröhlich – mit Selbstironie. Zwei metallisch glänzende Ballons markieren 77, unmittelbar neben der Pose des weltbekannten Bodybuilders: Kaum ein Besucher kann sich das Lächeln verkneifen.

Mehr als 30.000 Besucherinnen und Besucher kommen jedes Jahr in das unscheinbare Wohnhaus am Rand von Thal, zwischen verfallener Burgruine und freiem Feld. Thal liegt östlich von Graz, den Berg hinauf, auf der anderen Seite der Autobahn A9, die gen Süden nach Slowenien führt. Es ist ein typisches Städtchen der Steiermark mit kleinen Gehöften, verzierten Häuschen, verwinkelten Gassen und viel, viel Grün.

Ein Leben wie ein Märchen?

Hier kam am 30. Juli 1947 Arnold Schwarzenegger zur Welt, inmitten der kargen, harten Nachkriegsnot, die in Österreich nicht linder war als in Deutschland. In seinem Geburtshaus zeichnet eine hervorragend ausgestattete Ausstellung seinen Lebensweg nach, der beinahe wie ein Märchen klingt – die Verwirklichung des American Dream.

Denn der Sohn des Ortspolizisten von Thal und dessen Gattin begann zunächst, wie nahezu jeder Junge in der Steiermark in jener Zeit: in einfachen Verhältnissen, streng vom Vater erzogen, von der Mutter liebevoll umsorgt. Nichts deutet darauf hin, welche Karriere vor ihm lag.

Oder doch? Vom Vater erbt er Härte, wie es später bekennt, vor allem Härte gegen sich selbst. Und die „Mutti“ gibt ihm Mitgefühl auf dem Weg, prägt seine weiche Seite,

Wenig Verständnis vom Vater

In der Steiermark fährt man Ski oder reitet. Arnold hingegen beginnt, mit Hanteln zu üben. Er will seine Muskeln spüren. Die Mutter nimmt ihn gegen den Vater in Schutz, der für diese Neigung seines Sohnes wenig Verständnis hat. Nach Volksschule in Thal und Hauptschule in Graz wird Arnold zum Bundesheer eingezogen, zu einem Panzerbataillon in der steirischen Hauptstadt.

Gerade 20 Jahre alt, wandert er 1968 nach Amerika aus. Er wird Bodybuilder, wird mehrfach Weltmeister und Mister Olympia, wird einer der Väter der Fitness-Bewegung.

Im Hollywood-Schinken Conan der Barbar gibt er eine prachtvolle Figur. Sein Talent fürs Schauspiel ist begrenzt, aber darum geht es im Genre der Action-Filme nicht. Schwarzenegger wird zu Ikone, beinahe jeder seiner Filme spielt Millionen ein.

Hart gegen sich selbst

Im Museum in Thal bekommt man eine gute Vorstellung, wie hart Schwarzenegger trainiert haben muss, um seine Ziele zu erreichen. Ihn auf seine Muskeln zu reduzieren, heißt, ihn zu unterschätzen. Für Filme wie Terminator braucht man eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein, um derart erfolgreich zu sein. Und man muss früh aufstehen, um diese Rolle überzeugend zu füllen – immer aufs Neue.

Die Besucherinnern und Besucher seines Geburtshauses in Thal kommen aus der ganzen Welt. Überall ist Arnie ein Begriff, ist Idol und Vorbild, vor allem für Jüngere. Nicht nur, weil er in unzähligen Blockbustern seine Muskeln spielen ließ. Sondern weil er immer auf Distanz zu den Filmhelden gegangen ist, die er verkörperte. Kaum ein Schauspieler in Hollywood kann so gut über sich selber lachen.

Arnie ist Arnold geblieben

Arnie ist Arnold geblieben, der Junge aus der Steiermark, eine steirische Eiche. Er ist Amerikaner geworden, wurde drüben zur öffentlichen Figur. Von den Medien wenig beachtet, erwarb er 1979 an der Universität von Wisconsin einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre. Das Studium war nicht einfach, denn aufgrund der Visa-Bestimmungen war ihm ein normales Studium untersagt.

Doch Arnie biss sich durch. 1983 wurde er US-Bürger. 1986 heiratete er Maria Shriver, die Nichte von John F. Kennedy. Zu dieser Zeit saß Ronald Reagan im Weißen Haus, ehemals Gouverneur von Kalifornien.

Schwarzenegger bewunderte ihn, und mit Reagans Protektion stieg er in der Republikanischen Partei auf. Dass Schwarzenegger 2003 als Governator von Kalifornien vereidigt wurde, beweist, dass er nicht nur Muskeln hatte, sondern auch Köpfchen.

Politische Verantwortung übernehmen

Und dass er Verantwortung übernimmt. Bis 2011 bekleidete er das wichtigste politische Amt des reichsten Staats der USA. 2006 gab er beispielsweise das Ziel aus, eine Million Dächer in Kalifornien mit Solarmodulen auszustatten. 2019 wurde dieses Ziel erreicht.

Schwarzenegger wurde einer der wichtigsten Förderer der Solarenergie in Kalifornien, in den Staaten, weltweit, ist es bis heute geblieben. So unterstützte er den Bau großer solarthermischer Kraftwerke in der Wüste, engagiert sich für erneuerbare Energien und Umweltschutz.

Unter seiner Ägide wurde in Kalifornien der Global Warming Solutions Act (AB 32) verabschiedet, der die Reduktion der Emissionen zum Staatsziel erhob. Damit wurde Kalifornien Vorbild für viele ähnliche Gesetze in anderen US-Staaten.

Deutlich mehr als zehn Gigawatt im Golden State

Heute hat Kalifornien fast zwei Millionen Solardächer, die zusammen weit über zehn Gigawatt leisten. Zwei Drittel der Anlagen sind private und kommerzielle Systeme, etwa ein Drittel befindet sich auf öffentlichen Gebäuden oder Freiland. Deshalb wird Arnie gelegentlich als „Godfather of California solar“ betitelt.

Bis heute macht sich Arnie für die solare Energiewende stark. Vor zwei Jahren wetterte er medienwirksam gegen den Versuch, in Kalifornien eine Solarsteuer für Hausbesitzer einzuführen. Und vor Jahresfrist sah man sein breites Grinsen in der Kamera, als er das neue Solardach des Forschungszentrums Alta Sea in Los Angeles in Betrieb setzte. Die Anlage umfasst vier Acres, rund 1,6 Hektar. Sie versorgt den Campus von Alta Sea mit sauberem Strom.

Träume aus der Kinderstube

Skeptiker predigen gern: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Erfrischend, wie Arnie dagegen setzt: Die Veränderung der Welt beginnt mit Träumen in der Kinderstube, mit Visionen und harter Arbeit an sich selbst. Geh Deinen Weg, und lass die Leute reden! Dann ist alles möglich. Happy birthday!

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© HS/Sonneninitiative/Velka Boticka
Freitag, 12. Juli 2024

Solartechnik im Stadtbild: Chance oder Fluch für die Architektur?

Der nächste Treffpunkt Sonnenbürger in Leipzig bringt Akteure der Energiewende mit Bürgerinnen und Bürgern zusammen. Am 18. September 2024 geht es um solare Architektur. Sind Solarplatten an der Fassade hässlich? Oder öffnen sie Architektinnen und Architekten neue Möglichkeiten zur modernen Gestaltung?

Gastgeber ist Heiko Schwarzburger, Chefredakteur des Fachmagazins photovoltaik. Im soziokulturellen Zentrum Budde-Haus in Leipzig-Gohlis führt er kurz in das Thema ein und präsentiert einige Beispiele.

Anschließend diskutiert er mit Cornelia von Domaros und Sebastian Graf vom Leipziger Architekturbüro Von Domaros. Das Architektenteam hat in Schkeuditz ein futuristisches Solarprojekt entworfen und realisiert.

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Die Veranstaltung im Überblick

Solartechnik im Stadtbild: Chance oder Fluch für die Architektur?
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Gespräch und Diskussion am 18.9.2024 ab 19 Uhr
Saal des Budde-Hauses – Soziokulturelles Zentrum Leipzig-Gohlis
Lützowstraße 19, 04157 Leipzig

Hier finden Sie alle Veranstaltungen der Budde-Villa in Leipzig-Gohlis.

Die Veranstaltungsreihe soll Bürgerinnen und Bürger Leipzigs ermuntern, die Energiewende in die eigenen Hände zu nehmen. Sie bringt Menschen und ihre Projekte zusammen, um nützliche Informationen auszutauschen und vorhandene Kompetenzen und Erfahrungen zu nutzen.

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Auch konträre Argumente kommen zur Diskussion. Veranstalter sind das Budde-Haus und das Fachmedium photovoltaik, vertreten durch Chefredakteur Heiko Schwarzburger.

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© H.S. Eglund/Skript Verlag
Freitag, 12. Juli 2024

Unser Tipp: Mauro geht von Beat Knoll

Dieser ungewöhnliche Roman spielt in Italien, Deutschland und Algerien, anno 1960. Chaos wirft den Protagonisten aus seiner Bahn, aber auch die Unfähigkeit seiner Familie, ihm zu helfen, ihn zu halten. Moralische Heuchelei führt in die Katastrophe, zur Fremdenlegion, zu Krieg und Leid.

Wegen eines dummen Jungenstreichs wird der siebzehnjährige, eher schüchterne Mauro von seinem Vater kurz vor dem Abitur aus der Schule genommen und zu seinem Onkel nach Deutschland verbannt. Ein Sohn, der Autos klaut: Undenkbar für das Oberhaupt einer sittsamen Familie.

Völlig aus der Bahn geworfen

Nach anfänglichen Schwierigkeiten findet er sich in der fremden Kultur zurecht, bis ein weiteres dramatisches Ereignis ihn erneut aus der Bahn wirft. Er flieht und landet in der Fremdenlegion, degradiert und degeneriert zum Landsknecht, zum Söldner der französischen Kolonialherren.

Die Bestie, die in ihm steckt

De Gaulle schickt ihn wie tausende junger Männer nach Algerien, wo der Unabhängigkeitskrieg tobt. Gnadenloser Drill, brutale Kämpfe und Intrigen verwandeln den Jungen in eine Bestie. Niemals hätte er selbst geglaubt, dass sie in ihm steckt.

Gespannt auf die Fortsetzung

Der Roman endet seltsam: ohne Ende. Im Gespräch mit dem Schweizer Autor Beat Knoll kam heraus: Zwei weitere Teile sind geplant. Der Spannungsbogen funktioniert, hoffen wir auf Fortsetzung.

Beat Knoll hat sein Berufsleben als Mediziner verbracht. Das schulte seinen Blick für Menschen und ihr Innenleben. Zudem hat er die Gabe, zu erzählen.

Lebendige Literatur

Denn dieser Roman hebt sich auf wohltuende Weise von den öden Selbstreflexionen gelangweilter Bürgerkinder ab, die sich auf den Büchertischen pandemisch ausbreiten. Das ist lebendige Literatur, hier agieren echte Figuren, auch wenn die Handlung vor sechs Jahrzehnten spielt.

Der Roman erschien im Skript Verlag (auch als E-Book).

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© H.S Eglund
  • Das Zwickauer Denkmal wurde 1983 durch den Bildhauer Jürgen Raue geschaffen. © H.S. Eglund
  • Am Frauentor in Mühlhausen findet sich diese verwitterte Skulptur des Bauernpredigers. © H.S Eglund
Sonntag, 30. Juni 2024

Thomas Müntzer – Ein Volk von Priestern sollt Ihr sein!

Vor 500 Jahren hielt er den Fürsten eine Predigt, die sich gewaschen hatte. Der Mensch ist göttlich, weder Knecht noch Tier. Seinem Ruf folgten Bauern und Knappen. Dafür landete er auf dem Schafott – und wurde zur Legende. Wurde zur Hoffnung im Dunkel der Jahrhunderte, zum Rebell in Christo.

Nur dran, dran, dran! Es ist Zeit. Lasset euch nit erbarmen. Dran, dran, dran, dieweil das Feuer haiß ist. Lasset euer Schwert nit kalt werden! Schmidet Pinkepanke auf den Ambossen Nimrots! Werfet ihnen den Turm zu Boden! Man kan euch von Gotte nit sagen, dieweil sie über euch regiren. Dran, dran, weil ihr Tag habt. Gott gehet euch vor, volget, volget! (Thomas Müntzer, 1525)

Diese Worte waren Funke und Zunder zugleich, die den Aufruhr entfachten. Unter dem Prediger Thomas Müntzer (auch: Münzer) und der Fahne des Bundschuhs zogen Haufen der Bauern und Bergarbeiter durch Thüringen, um gegen Knechtschaft und Enteignung durch die Landesherren zu protestieren. Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?

Martin Luther bezeichnete den glühenden Prediger als „Mordsgeist, der die Seelen der Untertanen verderbt und die Reformation entstellt“. Der „aufrührerische Geist von Allstedt“ sei eine Gefahr für die göttliche Ordnung, die oben und unten klar teilt. Wer dagegen rebelliert, ausgebeutet und Untertan zu sein, rebelliere gegen Gottes Wille.

Gläubige brauchen keine Pfaffen

Ganz anders Müntzer: Gott existierte für ihn in der persönlichen Fühlung des Gläubigen, der weder Kirche noch Pfaffen brauchte, um zu Gott zu finden, um Gott in sich selber zu entdecken. Von der Kanzel donnerte er: „Ein Volk von Priestern sollt Ihr mir sein!“

Während Luther die göttliche Schrift als ordnenden Leitfaden in den Himmel hob, predigte Müntzer den zornigen Gott des Alten Testaments. Er schickt das Kreuz, dass der Mensch in Armut und Bitterkeit ertragen muss, bis er in der Furcht erzittert und reif ist für den Empfang des Heiligen Geistes.

Unmittelbaren Geist gepredigt

Dieser Geist, so Müntzer, ergießt sich unmittelbar in die Seele der Menschen, ohne Unterschied zwischen Laien, Priestern und Gelehrten. Damit brachte er Tausende auf die Straße, aufs Schlachtfeld und letztlich in den Tod.

Der Bauernkrieg von 1524 bis 1526 war die letzte große Erhebung auf deutschem Boden, der letzte Versucht einer Revolution bis 1848. War Ausbruch der Hoffnung, bevor sich dreihundert Jahre lang das Leichentuch von Defätismus, Hörigkeit und protestantischer Ergebenheit senkte.

Erster Ketzer des Protestantismus

Müntzer war der erste Ketzer der Reformation. Wenig ist von ihm bekannt, nur kurze Zeit ragt seine Lichtgestalt aus der Geschichte.

Um 1490 als Sohn eines Handwerker in Stollberg im Harz geboren, wuchs er in Quedlinburg auf. Das Jahr 1506 sieht ihn als Student in Leipzig, 1512 in Frankfurt an der Oder. Er sprach Latein, Griechisch und Hebräisch und schloss seine Studien als Magister ab, als Lehrer.

Lehren hieß predigen

Anschließend lehrt er in Halle, Aschersleben, Braunschweig, Halberstadt und Jüterbog. Lehren bedeutete damals vor allem Predigt, von der Kanzler herab in die Köpfe der Gemeinde. Luther selbst empfahl den jungen Heißsporn 1520 auf die Pfarrstelle nach Zwickau.

Das Tor zum Erzgebirge galt als Hauptstadt des blühenden sächsischen Silberbergbaus. In Zwickau geriet Müntzer an den Propheten Nikolaus Storch und dessen Freunde.

Mystik des Tausendjährigen Reiches

Sie pflegten spätmittelalterliche Mystik und hielten das Tausendjährige Reich für nahe. Das Reich war damals der stärkste Mythos, den das Christentum aufzubieten hatte, noch unverdorben durch spätere Vereinnahmung durch die Nazis.

Das Reich bedeutete Himmelreich auf Erden, Ende des irdischen Jammertals, Gelobtes Land schlechthin. Der Antichrist werde kommen und alle Gottlosen von den Auserwählten Christi erschlagen.

Manifest von Prag

Müntzers aufmüpfige Rede passt den Stadtoberen nicht. Er muss fliehen, wendet sich nach Böhmen. Sein Prager Manifest ruft die Böhmischen Brüder, die Nachfolger des Ketzers Jan Hus, zu Hilfe. Damit kündigt Müntzer bereits die Auseinandersetzungen an, die hundert Jahre später zum Prager Fenstersturz und zum Dreißigjährigen Krieg führen.

Doch auch Böhmen kann den ruhelosen Prediger nicht halten. 1523 erscheint er in Allstedt im Thüringischen, an der Grenze zum Mansfelder Land. Er heiratet eine entlaufene Nonne, hier wird sein Sohn geboren.

Bund der Auserwählten

Im Frühsommer 1524 gründet er einen „getreulichen Bund göttlichen Willens“, dem sich viele Allstedter und Mansfelder Bergknappen anschlossen. Das soll er sein, der Bund der Auserwählten, der Bund der Vollstrecker für den Jüngsten Tag.

Müntzer fühlt sich berufen, von Gott erkannt, das Reich auf Erden zu errichten. Er predigt gegen die Papisten und gegen Luthers dröge Lehre von der heiligen Schrift – sie vernebeln die Hirne der Armen und Entrechteten, verstellen den direkten Zugang zu Gott. Faktisch wendet sich Müntzer gegen jede kirchliche Hierarchie, sei sie katholisch oder protestantisch eingefärbt.

Gottesdienste auf Deutsch

In der Literatur wird der wilde Prediger als klein gewachsen, mit schwarzen Haaren und „funkelndem Blick“ beschrieben. In Allstedt wirkt er revolutionär: Er schafft das Kirchenlatein ab, hält Gottesdienste auf Deutsch.

So zwingt er Luther, nachzuziehen. Müntzer verdeutscht katholische Messbücher, die bis ins 19. Jahrhundert von der Kirche benutzt werden. Und im Juli 1524 tritt er vor Herzog Johann von Sachsen, um ihm die Leviten zu lesen. Vor versammelter Entourage auf dem Allstedter Schloss fordert er den Fürsten auf, die Gottlosen mit dem Schwert zu vertilgen:

Lasset die Übeltäter nicht länger leben, die uns von Gott abwenden. Denn ein Gottloser hat kein Recht, zu leben, so er die Frommen hindert.

Nur Achselzucken übrig

Der Fürst hat dafür nur Achselzucken übrig. Mitte des 16. Jahrhunderts ist der Machtkampf zwischen dem Papst und den weltlichen Herrschern in vollem Gange. Luthers Protestantismus gibt ihm die Gelegenheit, sich der katholischen Konkurrenz zu entledigen.

Starke Könige in England und Frankreich setzen sich gegen den Papst durch, doch Deutschland ist zersplittert. Hier gibt es keine starke Hand, nur viele große und kleine Fürstentümer. Einige schlagen sich auf die Seite Luthers, andere halten es weiterhin mit Rom.

Biblischer Text oder Popanz?

Bei Luther steht die gedruckte Bibel höher als katholischer Popanz, Echo überkommener Strukturen aus dem Alten Rom. Luther gibt den Landesfürsten die Handhabe, katholische Ländereien zu enteignen und zu vereinnahmen, mitsamt der freien Bauern, die zu Knechten und Leibeigenen herabsinken. So geschehen in Hessen, in Sachsen, in Thüringen oder 1525 in Brandenburg, wo der Deutsche Orden säkularisiert und aufgelöst wird.

Der Machtkampf erfasst ebenso den Bergbau in Böhmen, Sachsen, Schlesien und Thüringen. Dort stehen althergebrachte katholische Privilegien neben den Schürfrechten adeliger Herren. Letztlich gerät die Reformation zur ökonomischen Revolution, denn sie setzt den Schlusspunkt hinter die Dominanz der katholischen Bischöfe und Äbte in weltlichen Dingen.

Kein fürstliches Schwert rührt sich

Kein fürstliches Schwert rührt sich, kein Landsknecht wird in Marsch gesetzt, um Gottes Reich auf Erden zu errichten. Enttäuscht wendet sich Thomas Müntzer gegen die Obrigkeit, gegen die „großen, dicken, feisten Pausbacken“, die ihr Leben „mit tierischem Fressen und Saufen“ hinbringen.

Ohne Ausnahme gehören sie zu den Gottlosen, die die Armen zu ihren Hackklötzen gemacht haben. Um den Tyrannen den Hals zu füllen, müssten sich die Armen so sehr abmühen, dass sie keine Zeit mehr fänden, die Schrift zu lesen und zum Glauben zu kommen.

In den Wirren des Bauernkriegs

Wieder muss er fliehen, gejagt vom Herzog, verteufelt von Luther. Anfang August 1524 kommt er nach Mühlhausen, wo es gärt und wabert. Müntzer gerät in die Wirren des Bauernkrieges, der sich von Schwaben ausbreitet.

Wieder wird er Pfarrer, als die Unruhen von Franken nach Thüringen überschwappen. Schlösser und Klöster werden geplündert und verwüstet. Mit scharfer Zunge ruft Müntzer die Bergknappen des Mansfelds auf, den Bauernhaufen beizustehen.

Die Zeit der Fürsten mit ihren Ränken ist vorbei. Da hat ihr Gewalt ein Ende, sie wird in kurzer Zeit dem gemeinen Volk gegeben. Meinst du, dass Gott nicht mehr an seinem Volke denn auch euch Tyrannen gelegen? (Müntzer an Albrecht von Mansfeld)

Predigten geraten zur Manie

Die Predigten geraten zur Manie, je mehr sich der Himmel über deutschen Landen verdunkelt. Aufgeschreckt von den Anfangserfolgen der bäuerlichen Scharen schließen sich die Fürsten zusammen, setzen ihre Heere in Gang. Nicht für Gott, sondern gegen rebellische Untertanen.

Mitte Mai 1525 kommt es bei Frankenhausen zur Entscheidung. Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Georg von Sachsen nehmen die Aufständischen in die Zange. Als ein Regenbogen übern Himmel spannt, fallen Bauern und Knappen auf die Knie. Freudig beten und singen sie, bis die ersten Salven aus fürstlichen Kanonen einschlagen.

Auf dem Schafott vor Mühlhausen

Wilde Flucht beginnt, Landsknechte erschlagen die Fliehenden. Thomas Müntzer wird erkannt und gefangen, wird gefoltert und am 27. Mai 1525 auf dem Feld vor Mühlhausen enthauptet. Zur Abschreckung wird sein Kopf auf einen Spieß gesteckt.

Luther frohlockt, zu Recht habe der Unhold einen elenden Tod erlitten: „Wer den Müntzer gesehen hat, der mag sagen, er habe den Teufel leibhaftig gesehen in seinem höchsten Grimm.“ Dieses Urteil hielt sich lange. Jahrhundertelang galt Müntzer bei Katholiken und Protestanten gleichermaßen als dämonische Gestalt.

Bejubelter Untergang

Theologen und Historiker bejubelten seinen Untergang. „Die Einstellung kann den Vertretern des offiziellen Protestantismus nicht allzu übel genommen werden, ist doch ihre Existenz von Müntzers revolutionärem Brand bedroht“, schrieb Walter Nigg in seinem Buch der Ketzer. „Sein Chiliasmus hätte für ihre Welt eine allzu heftige Explosion bedeutet.“

In der Geschichte überlebt nur, was Substanz bietet. Was einmal gesagt ist, bleibt in der Welt. Doch es wandelt sich und lässt manches in neuem Licht erscheinen. Im Zwanzigsten Jahrhundert änderte sich auch die Bewertung des streitbaren Pfarrers der Bauern und Knappen.

Engels holt ihn aus dem Schatten

Zunächst holte ihn Friedrich Engels mit seiner Schrift Der deutsche Bauernkrieg aus dem Schatten. Er spann den Bogen von 1525 bis 1848. Heinrich Heine urteilte: „Luther hatte unrecht und Müntzer hatte recht.“ Der marxistische Philosoph Ernst Bloch veröffentlichte 1921 das Buch Thomas Münzer – Theologe der Revolution, er prägte das Etikett „Rebell in Christo“.

Versuche der politischen Vereinnahmung

Die Nazis versuchten, Müntzer als Bauernführer für sich in Anspruch zu nehmen und antiklerikale Ressentiments zu schüren. Danach machte ihn die offizielle Geschichtskunde der SED zum frühen Kommunisten, stilisierte den Bauernkrieg zum „Wetterleuchten einer neuen Gesellschaft“.

Ein Film der Defa aus dem Jahre 1956 bietet interessantes Zeugnis dieser späten Interpretation. Zugleich wird die prophetische Kraft Müntzers spürbar und historisch genau dargestellt. Dem Zeitgeist entsprechend werden Reformation und Bauernkrieg zur frühbürgerlichen Revolution verdichtet, die zwar scheiterte, aber letztlich im Sozialismus der DDR ihre Erfüllung fand.

Botenläufer Gottes, Rebell in Christo

Botenläufer Gottes, Rebell in Christo, der neue Johannes, der das Reich Gottes auf Erden errichten wollte. Er ist gescheitert, wirkt dennoch nach – bis heute. Denn das Unerledigte drängt:

Niemals hat die Menschlichkeit Tieferes gewollt und erfahren als in den Intentionen dieses Täufertums, hin zur mystischen Demokratie. Was sich gestern träumte und intendierte, muss morgen sein, gegen die Sehnsucht wenigstens weder Gewalt noch Finsternis gewachsen, hinter der Wüste wartet Kanaan in unerforschter Pracht, und der Gott im Münzerischen ist immer wieder bei Tag Wolke, in der trübsten Nacht Feuersäule. (Ernst Bloch)

Walter Nigg urteilte vorsichtiger: „Müntzer nun auf den Thron zu heben und Luther aufs Schafott zu schicken, verkennt wiederum die religiöse Kraft des Reformators aus Wittenberg. Es gilt, jede Gestalt auf ihre Art bestehen zu lassen.“

Denn Luthers Kompromisse mit der Obrigkeit schuf dem Protestantismus ein starkes Heerlager und sicherte sein Überleben gegen die Jesuiten und ihre Heilige Inquisition. Nach Niggs kluger Einschätzung führte Müntzer „den protestantischen Protest auch auf sozialem Gebiet durch“, viel weiter als Armenvorsorge und Almosen der Kirchen. Er bezeichnete Müntzers Predigten als „soziale Ketzerei, die zu großer Bewunderung zwingt.“

Metaphysisches Ereignis

Nach Auffassung des Philosophen Johann Gottlieb Fichte ist „das Evangelium ist kein historisches, sondern ein metaphysisches Ereignis.“ So gesehen, steht Müntzer in einer Reihe mit dem Metaphysiker Eckhart oder mit Joachim di Fiore, der das Reich des Menschen predigte, das Himmelreich auf Erden – als klare soziale Aufgabe des Christentums. Ernst Bloch stellt Müntzer in diese Ahnenreihe, als er schrieb:

Denn Münzers Arbeit an der Welt ist immerhin Verzicht auf alle bequemere, duldsame Ruhe und auch härtester Verzicht darauf, dass irgendwie, irgendwo nur eigene, individuelle Erlösung geschehe, bevor der Mensch nicht schwebt, bevor nicht allen Menschen wenigstens der äußere Weg zum rechten Leben offensteht. Solange noch die Ungezählten, Namenlosen im Elend verschollen gehen, sind die wahllose Güte, das wahllose Leiden und Gelassenheit, ja selbst die frühe christliche Weltindifferenz gerade aus Christlichkeit verboten.

Starke Substanz für die Geschichte

Befreit man die Predigten Müntzers vom religiösen Zwist, der die Kämpfe des 16. Jahrhunderts markierte, bleibt in der Tat starke Substanz stehen. Seine Predigten ordnen sich ein in die Geschichte der Hoffnung, Hoffnung auf bessere Zeiten – hier und jetzt, oder nach dem Tod irgendwo dort oben, irgendwo unten.

Ernst Bloch hat die Hoffnung zum wichtigen Treiber der Geschichte erkoren (Prinzip Hoffnung). Deshalb vermochte der streitbare Marxist durchaus christliche Wurzeln zu erschließen – ohne ideologische Scheuklappen. In seinem Buch über Thomas Münzer zitierte er den Rebell in Christo:

Es kann vor dem Wucher und vorm Schoß und Zinsen niemand zum Glauben kommen, der Schade der Welt wird je länger, je breiter, dass dem menschlichen Glauben der Weg verschlossen ist.

Wer sich dazu frei macht, vermag das Rechte auch durchaus zu träumen und zu hören. Jeder ist dessen fähig, nach der ernsten Bereitung, wozu er den freien Willen hat.

Weiterführende Quellen:

Thomas Müntzer: Die Fürstenpredigt, Philipp Reclam Jun., Stuttgart 1979
Ernst Bloch: Thomas Münzer als Theologe der Revolution, Aufbau Verlag, Berlin 1960
Walter Nigg: Das Buch der Ketzer, Artemis Verlag, Zürich und Stuttgart, 1962
Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg, Neue Rheinische Zeitung, 1850
Defa-Studio für Spielfilme: Thomas Müntzer (1956) (Datenbank der Defa-Stiftung)

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Samstag, 15. Juni 2024

Helgoland – Sonnenwende überm Fuselfelsen

Die Insel in der Deutschen Bucht war vieles: Schmugglernest, Zankapfel der Großmächte, waffenstarrende Festung, ödes Eiland und zollfreier Supermarkt. Mittlerweile werden die Butterfahrer durch Ökotouristen abgelöst. Denn Heligoland, wie es die Engländer nennen, lebt von der See – und von Sonne und Wind.

Mitte Juni geht die Sonne im Nordwesten unter, über nahezu stillem, glatten Meeresspiegel. Lange braucht der glühende Punkt, um zum Horizont zu sinken, ihn zu berühren und schließlich über den Saum der Erde ins Nichts zu fallen.

Begleitet wird das Spektakel vom ohrenbetäubenden Gekreisch der Basstölpel, Trottellummen und Möwen, gelegentlich zieht sogar ein Albatros seine Kreise. Für Vogelbeobachter, neudeutsch: Bird Watcher, ist Helgoland ein Paradies. Nirgends in Mitteleuropa gibt es so viele verschiedene Arten, auf so engem Raum.

Kaum mehr als eine Felsenklippe

Sprichwörtlich, denn Helgoland ist kaum mehr als eine Felsenklippe in der Nordsee. Brutvögel und durchziehende Wandervögel haben seinen Ruf nachhaltig verändert.

Jahrhundertelang galt die Insel als Nest für friesische Austernfischer, Piraten und Schmuggler. In der Neuzeit kam der rötliche Fels zunächst unter dänische Hoheit, bevor ihn 1807 die Engländer besetzten.

Napoleons Kontinentalsperre geknackt

Von Helgoland aus knackten englische Schmuggler die Kontinentalsperre, die Napoleon gegen London verhängt hatte. Zeitweise wurde mehr Ware umgeschlagen, als im Hafen an der Themse. Deshalb gewährten die Engländer ihren Untertanen den besonderen Status der Zollfreiheit – denn Helgoland lag weit außerhalb des britischen Staatsgebiets.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Napoleon Geschichte, und England das Herz eines globalen Imperiums. Queen Victoria trat Helgoland im Tausch gegen Sansibar an den deutschen Kaiser ab.

Lukrativer Tausch

Ein spannendes Geschäft, denn Sansibar gehörte seinerzeit nicht zu den deutschen Kolonien in Ostafrika (Tanganjika, heute Tansania). Der Kaiser duldete lediglich die britische Flottenpräsenz. Die Engländer wollten eine Basis im Indischen Ozean aufbauen, mit Blick auf die Zufahrt zum Roten Meer und zum Suezkanal – und vor allem nach Indien.

Im Gegenzug fiel Helgoland ans Deutsche Reich. Die Insel hatte strategische Bedeutung, denn sie beherrscht nicht nur die Häfen von Bremerhaven und Hamburg. Auch der westliche Ausgang des Nord-Ostee-Kanals wird von ihr kontrolliert.

Kaiser Wilhelm begann sofort, die Insel zur Festung auszubauen. Das war eine schlechte Nachricht. Die gute lautet: Er ließ 1910 die berühmte Vogelwarte errichten, Vorläufer der biologischen Forschungsanstalt, die heute zum Alfred-Wegener-Institut gehört.

Illusion der Überlegenheit

Im Ersten Weltkrieg spielte die Insel kaum eine Rolle, wie auch die deutsche Marine kaum etwas gegen die britische Blockade ausrichten konnte. Aber „Helgoland in deutscher Hand“ nährte die Illusion von Herrschaft über die Nordsee – und war damit Zunder für die Kriegstreiber und Befürworter der Aufrüstung. Mit Kriegsbeginn wurden die Helgoländer expatriiert, erst nach dem Ende der Feindseligkeiten kehrten sie zurück.

Der deutschtümelnden Euphorie unter den Insulanern tat das keinen Abbruch. Fünfzehn Jahre später lag die Zustimmung zu NDSAP auf der Insel bei deutlich über fünfzig Prozent, mehr als Sozialdemokraten und Kommunisten zusammen.

Hitler träumte noch gigantischere Pläne als der Kaiser: Helgoland sollte die gesamte deutsche Flotte aufnehmen. Umfangreiche Bauarbeiten kamen in Gang: Der Buntsandstein wurde untertunnelt und mit Geschützstellungen versehen. Weite Areale des flachen Meeres wurden mit Beton eingedeicht, um einen riesigen Hafen zu gewinnen.

Unbarmherzige Faust der Alliierten

Doch schon 1941 wurden die Arbeiten eingestellt. Das Projekt uferte aus, wurde zu kostspielig. Im Zeitalter des Luftkriegs war klar geworden, dass Flotten kaum noch eine Rolle spielten.

Der Luftkrieg ereilte Helgoland mit unbarmherziger Härte: Zwei Wochen vor Kriegsende 1945 flogen rund tausend alliierte Bomber ein und luden ihre Todesfracht auf das schmale Eiland ab.

Unbewohnbar für Generationen

Danach waren alle Geschütze verstummt, ihre (blutjungen) Besatzungen tot und die meisten Bewohner der Insel schwer traumatisiert. Nur knapp hatten sie in Bunkern und Katakomben überlebt. Helgoland war eine Trümmerwüste – unbewohnbar für Generationen, wie es schien.

Erneut wurde die Bevölkerung zum Festland evakuiert, wo sie das Chaos der letzten Kriegstage erwartete. Helgoland wurde Niemandsland, mit einer kleinen englischen Garnison als symbolischer Besatzung.

Fels hielt der Sprengung stand

Im Jahr 1947 schließlich beschlossen die Briten, die unheilvolle Felsenklippen ein für alle Mal aus der See zu tilgen. Mehr als 9.000 Tonnen Sprengstoff wurde herangeschifft, faktisch der gesamte Vorrat, den der Krieg hinterlassen hatte.

Nur die Explosionen von Hiroshima und Nagasaki waren verheerender. Trotz der gewaltigen Eruption („Big Band“), die noch in Cuxhaven spürbar war, blieb ein großer Teil der Felseninsel unversehrt – das heutige Oberland.

Ein anderer Teil, durch Hitlers Ingenieure und versklavte Zwangsarbeiter durchlöchert „wie Schweizer Käse“, sackte ab. Er markiert das heutige Mittelland, das in grasigen Wellen zum Hafen und zum Strand abfällt (Unterland).

Rückkehr und Neubeginn

Erst 1952 durften die Helgoländer auf ihre Heimatinsel zurückkehren. Die Briten zeigten Goodwill mit den Krauts in Westdeutschland, die sogleich den Wiederaufbau in Angriff nahmen. Um der Insel eine Zukunft zu ermöglichen, wurde das alte Zollprivileg erneut in Kraft gesetzt.

Denn formal liegt Helgoland auch außerhalb des deutschen Staatsgebiets. In den 1960er Jahren kam der rote Felsen zu neuem Ruhm: Man unternahm „Butterfahrten“, sparte sich die Mehrwertsteuer. Helgoland wurde als „Fuselfelsen“ tituliert, war Vorläufer des Ballermann auf Mallorca.

Tand, den kein Mensch braucht

Noch heute sind die Geschäfte voll von Tand, den kein Mensch wirklich braucht: edle Geschmeide, Whiskys in tausend Sorten, optische Geräte wie Feldstecher oder wuchtige Objektive für die Kameras der Bird Watcher.

Schnäppchen sind das längst nicht mehr, denn die zollfreie Einfuhr zum deutschen Festland ist stark eingeschränkt. Die Überfahrt von Hamburg oder Cuxhaven gibt es auch nicht zum Billigtarif. Fuselfelsen adé, Butterfahrten adé. Das Wirtschaftswunder ist vorbei, auch auf Helgoland.

Kette von Atommeilern

Die Geschichte wäre zu Ende erzählt, wenn die rote Felseninsel nicht eindrucksvoll ein neues Kapitel ihre Historie aufgeschlagen hätte. Wer von den Landungsbrücken in St. Pauli mit dem Katamaran nach Helgoland aufbricht, fährt zwei Stunden die lange Elbmündung nach Norden.

Drei Atommeiler – wie Perlen auf einer Kette – ziehen am Ufer vorbei: Die Reaktoren von Stade, Brokdorf und Brunsbüttel. Jahrzehntelange Proteste, unzählige Havarien und Defekte machten die Kraftwerke berühmt – und berüchtigt. Nun stehen sie alle auf Rückbau und Abriss.

Energiewende als zweites Wirtschaftswunder

Bei Cuxhaven weitet sich die Elbe, öffnet sich zur Nordsee hin. Bis Helgoland dauert die Fahrt weitere anderthalb Stunden.

Weit im Norden rücken die Pfeiler eines gigantischen Windparks aus dem Dunst, rund dreißig Kilometer von Helgoland entfernt. Fast fünfzig Windturbinen liefern sauberen Strom, um mehr als 300.000 Haushalte zu versorgen.

Wartungsstützpunkt für Windparks auf See

Helgoland selbst wird weitgehend mit Windstrom versorgt, der seit 2009 über ein Unterwasserkabel vom Festland zur Insel gebracht wird. Zwar verfügt die Insel über große Ölspeicher und ein klassisches Kraftwerk. Doch der fossile Generator wird nur noch für den Fall vorgehalten, dass es mit dem Kabel hapert.

Seit 2015 ist Helgoland offizieller Wartungsstützpunkt für die Windparks in der deutschen Nordsee. Das spült Gewerbesteuern in die Kassen der Gemeinde, die zum Landkreis Pinneberg in Schleswig-Holstein gehört.

Solaranlagen für die Touristen

Zunehmend werden Solaranlagen sichtbar. Denn die Touristen kommen vornehmlich im Sommer, wenn das Wetter über der Insel sehr sonnenreich ist. Dann wird Strom gebraucht. Was liegt näher, als die Energiekosten durch Solardächer zu senken?

Im Winter sind viele Quartiere der Ferieninsel nicht belegt, oft fahren keine Fähren. Zwischen Oktober und März zeigt sich die Nordsee von ihrer grimmigen Seite. Dann pfeifen arktische Stürme von Grönland, von Island oder Norwegen durch die Bucht und treiben haushohe Wellen durch die See.

Klare, saubere, salzige Luft

Als 2006 der Bau des neuen Unterseekabels begann, wurde ein wesentliches Argument bemüht: Die einzige Konstante, die sich durch Helgolands wechselhafte Geschichte zieht, und die immer wieder Gäste auf die Insel gelockt hat, war die wunderbare, klare Luft der See.

Hierher kam im August 1841 beispielsweise Heinrich Hoffmann von Fallersleben, um die Hymne der Deutschen (Deutschlandlied) zu dichten. Sagt zumindest die Legende, die den Barden auf einer Klippe sitzend skizziert – teutonische Romantik.

Erleuchtung für Werner Heisenberg

Auf die Klippen stieg auch Werner Heisenberg, im Jahr 1925. Den jungen Wissenschaftler aus Göttingen hatte das Heufieber auf die Insel gebracht. Hier konnte er durchatmen und in Ruhe seine Überlegungen zur Quantentheorie vollenden.

Nichts lenkte ihn ab, außer immer gleiche Spaziergänge auf steinigen Pfaden und die immer gleiche, glatte See. Später schrieb er in seinen Memoiren (Der Teil und das Ganze):

In Helgoland war ein Augenblick, indem es mir wie eine Erleuchtung kam, als ich sah, dass die Energie zeitlich konstant war. Es war ziemlich spät in der Nacht. Ich rechnete es mühsam aus, und es stimmte. Da bin ich auf einen Felsen gestiegen und habe den Sonnenaufgang gesehen und war glücklich.

Für seine Begründung der Quantenmechanik erhielt er 1932 den Nobelpreis. Dass er den Nazis nach ihrem Machtantritt die Treue hielt und für Hitler an der Uranmaschine arbeitete, zeigt die persönlichen Grenzen dieses genialen Forschers.

Politische und militärische Rivalitäten um die Insel, der Kaiser, Hitler und das Atomzeitalter – sie sind allesamt Geschichte. Aber Helgoland ragt weiterhin aus dem Meer, zieht jedes Jahr tausende Gäste an.

Sie kommen nicht wegen der Marine, wegen des Fusels oder der Butter. Sie kommen wegen der See und wegen dem Wind und der herrlich sauberen Luft, wegen der Vögel auf den Klippen und den Wolken – die nirgends schneller am Himmel ziehen als hier.

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