James Dean: Rebel Without a Cause?
Vor 90 Jahren wurde einer der faszinierendsten Schaupieler Amerikas geboren: James Byron Dean, genannt Jimmy. Innerhalb eines Jahres avancierte er zum Idol und schrieb Kinogeschichte – mit nur drei Filmen. Kurz darauf war er tot – und blieb der ewig junge Aufrührer.
Ich erinnere mich genau: Ich saß allein vor der Glotze in der guten Stube, Geschwister und Eltern waren außer Haus, und es war spät am Abend; Sonnabendabend, der späte Film nach dem Wort zum Sonntag. Die Sprecherin sah gut aus, und sie kündigte diesen Film an: … denn sie wissen nicht was sie tun.
Die Namen, die sie nannte: Nicholas Ray als Regisseur und James Dean in der Hauptrolle; sie klangen geheimnisvoll und weit wie die Prärie oder die Rocky Mountains, besondere Sehnsuchtsorte in der Fantasie des Halbwüchsigen im grauen, abgerockten Ruinenviertel der Industriestadt Leipzig, irgendwann Ende der 1970er.
Nach dem Wort zum Sonntag
Erst das Wort zum Sonntag, danach Jimmy Dean – stärker konnte der Kontrast nicht sein. Der graue, gesichtslose Pfarrer, der eine ähnlich verlogene Sprache benutzte wie die Funktionäre im Osten – und danach James Dean, der so war, wie jeder Halbwüchsige sich selber wünscht: Sei ein Rebell, auch wenn Du keinen Grund dazu hast! Pass Dich nicht an, niemals!
Jugend kommt kantig in die Welt, die Rebellion ist ihr Recht – und ein bisschen ihre Aufgabe. Im Englischen trägt Deans bekanntester Film den Titel: Rebel Without a Cause – Rebell ohne Grund. Rebellisch zu sein, dafür braucht man keine Gründe, nicht in diesem Alter: die Ödnis der geordneten Verhältnisse, die moralische Enge der amerikanischen Städte, wie der Städte Europas, Deutschlands – und der DDR. Gründe wie das staubtrockene Vorbild der Eltern, die im Job und im Alltag ergrauten und verdorrten.
Eine Explosion in Schwarzweiß
Als ich den Film sah, war James Dean schon ein Vierteljahrhundert tot. Meine Realität war eine gänzlich andere als für den Außenseiter Jim Stark. Leipzig war nicht Los Angeles, ich stand nicht außerhalb der Clique, und doch war mir alles unglaublich vertraut: der gelangweilte, nach Liebe hungernde, mit der Gruppe konfrontierte Teenager.
Der zerrissene Einzelgänger, der Outlaw – Dean hat ihn nicht gespielt. Er hat ihn ganz tief aus seinem Inneren heraufgeholt, wie die tiefe Eruption eines emotionalen Vulkans. Das war echt und genauso explosiv wie Feuer spuckende Berge.
Das war präzise – ohne erkennbare Berechnung. Das war brutal – gegen sich selbst, bis zur Grenze der Selbstverstümmelung. In Judy (gespielt von Natalie Wood) hatte er die perfekte Partnerin, die weibliche Seite derselben Medaille.
Diese Schmerzen, diese Sehnsucht, diese Zerrissenheit Jim Starks: Das ging nicht durchs Auge ins Hirn, das traf direkt ins Herz. Das wühlte mich auf, und dieses Gefühl ist noch immer da, wenn ich mir jenen Abend in Erinnerung rufe.
Traumtänzer werden nicht alt
Was ich damals nicht wusste, nicht wissen konnte: Jemand, der so viel gibt, sich als Künstler derart entblößt, lebt am Rande der Erschöpfung. Solche Traumtänzer sind genial, aber sie werden nicht alt. So steht James Dean in einer Reihe mit Jimmy Hendrix, Janis Joplin oder James „Jim“ Morrison; Dean war der jüngste unter diesen Giganten.
Als er im September 1955 mit seinem Porsche Spyder in den Tod fuhr, war er nicht einmal 25 Jahre alt. Es blieben drei Filme: Jenseits von Eden, … denn sie wissen nicht, was sie tun und Giganten. Jenseits von Eden war die epochale Verfilmung eines Romans von John Steinbeck (Regie: Elia Kazan). Und Giganten zeigte James Dean in einem Western, der den Beginn des Ölzeitalters markiert. Diese beiden Filme brachten ihm poshum zwei Oscars ein – als bester Hauptdarsteller. Auch sie zeigten ihn gespalten, verzweifelt, unfertig und von widrigen Ereignissen getrieben.
Ein Heiliger, ein erstarrtes Denkmal
Die näheren Umstände seines Unfalls Ende September 1955 sind vielfach beschrieben und in Dokumentarfilmen nachgezeichnet. So exzessiv wie seine Filmrollen geriet der Kult um seine Person. Sein früher Tod machte Auflage: Die Medien stilisierten ihn zum Heiligen, als sei er im Augenblick des Unfalls zu seinem eigenen, ewig jugendlichen Denkmal erstarrt.
Die Kreuzung der State Routes 41 und 46 bei Cholame in Kalifornien wird noch heute als James Dean Memorial Junction bezeichnet. Kurz vor seinem Tod hatte Dean einen Werbespot gedreht, in dem er vor Raserei warnte. Nicht einmal Hollywood kann solche Stories erfinden.
Wer war James Dean?
Wer war James Dean? Ein glühendes Talent, ein strahlender Meteor am falschen Himmel der Traumfabrik? Der grellste Komet in der Geschichte des amerikanischen Films?
Einen Abend lang, für eine schlaflose Nacht war er der untersetzte, seltsam gebrochen strahlende Held, der Underdog, der schnelle Autos liebte. In den Augen des jugendlichen Zuschauers, der bis nach dem Wort zum Sonntag ausgehalten hatte, war er der große Bruder, die Ikone, wie sie nur in der Literatur und auf der Leinwand entsteht.
James Dean hat sich selbst gezeigt, erbarmungslos und offen. Mit neun Jahren verlor er die Mutter, wuchs in kleinen, engen Verhältnissen bei Verwandten auf, der Vater im Krieg in Europa. James Dean, der einen Traum hatte – den Traum von der Karriere am Broadway, beim Film. Der ganz unten anfing: als Platzanweiser und Parkwächter, bis er 1951 seine erste, klitzekleine Rolle bekam. Der innerhalb von drei, vier Jahren kometenhaft aufstieg und alle anderen überstrahlte.
Das letzte Wort gehört dem Regisseur seines ersten, durchschlagenden Filmerfolgs: „James Dean sah genauso aus wie Cal Trask in Jenseits von Eden“, erinnerte sich eila Kazan Jahre später. „Und er sprach auch so. Als er das New Yorker Büro von Warner Brothers betrat, wusste ich sofort, dass ich den richtigen Mann für die Rolle gefunden hatte. Er war vorsichtig, störrisch und misstrauisch und schien voller unterdrückter Gefühle.“
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