Popup 2022: Großer Andrang im Werk 2 in Leipzig
Auch in diesem Jahr wurde die Buchmesse abgesagt. Doch 50 Verlage suchten einen eigenen Weg, um die Lesergemeinde in der Messestadt auf die Beine zu bringen. Das ist gelungen, wie unsere Impressionen zeigen.
Die kurzfristige Absage der Buchmesse in Leipzig hat viele Akteure vor den Kopf gestoßen. Nicht nur Verlage, auch Buchhändler und vor allem Leserinnen und Leser zeigten sich enttäuscht. Abgesehen von den Hoteliers, denn viele Gäste hatten bereits ihre Unterkünfte gebucht. Es sollte wieder losgehen.
Wandel in der Messebranche
Dass sich die Leitung des Glaspalastes an der Autobahn gegen die Messe entschied, hatte natürlich mit Corona zu tun. Einige große Aussteller hatten ihre Teilnahme storniert, weil sie die Risiken fürchteten: Ansteckung und Ausfall der Mitarbeiter.
Zudem ist dieser Großveranstaltung der wirtschaftliche Sinn abhanden gekommen.
Die Absagen waren nur teilweise Corona geschuldet. Aufgrund der Digitalisierung sind viele Verlagsgeschäfte mittlerweile problemlos ohne Präsenzmessen möglich. Und: Die Digitalisierung spielt den großen Verlagen in die Hände, die mächtige IT-Abteilungen unterhalten und viel Aufwand in Social Media stecken können.
Dass auch der Buchverkauf ohne Messen in Frankfurt und Leipzig auskommt, zeigen die Umsätze 2021: Der Absatz von Büchern im deutschen Markt stieg um drei Prozent. Die Frage steht im Raum, ob die großen – und teuren Messen – noch gebraucht werden. So war die Popup Buchmesse Mitte März in Leipzig ein Test, wie sich solche Veranstaltungen künftig ausrichten könnten. Ein höchst spannender Test.
Ein spannender Test im Werk 2
Zum einen hat sich gezeigt: Die Leute wollen nicht nur Bücher angucken, sie wollen sie kaufen. Bei der Ausstellung im Werk 2 zeigten sich nahezu alle Verlegerinnen und Verleger davon angetan, dass sie mit ihrem Publikum direkt ins Gespräch kommen und Bücher über den Tisch reichen durften.
Bei den etablierten Messen in Leipzig und Frankfurt ist der Verkauf nur über die Messebuchhandlung erlaubt, mit einer Provision von 55 Prozent vom Buchpreis. Auf diese Weise werden die Verlage genauso ausgebeutet wie von Amazon, das gleichfalls 55 Prozent Provision kassiert.
Erst ab Sonntag (Letzter Messetag) um 15 Uhr dürfen Bücher an den Messeständen verkauft werden. Das ist vor allem für kleine Verlage viel zu kurz, denn für sie lohnt sich ein Verkauf über die Messebuchhandlung erst recht nicht. Dort dominieren – wie bei Thalia oder im Bahnhofsbuchhandel – ohnehin die großen Verlage.
Die Leute wollen Bücher
Und: Leipzig hat – im Unterschied zu Frankfurt – offenbar ein sehr treues Lesepublikum. Denn obwohl die Popup-Messe relativ kurzfristig anberaumt wurde, waren die meisten Lesungen in kurzer Zeit ausverkauft. Die Ausstellung selbst war sehr gut besucht, vor allem am Sonnabend bildeten sich lange Schlangen.
Eine kleinere Veranstaltung wie im Werk 2 bringt die Verlage näher an ihre Leserschaft. Sie lässt sich mehrfach im Jahr wiederholen, möglicherweise thematisch akzentuiert. Und: Alle Verlage sollten die gleiche Standgröße bekommen, um möglichst vielen Buchanbietern die Teilnahme zu ermöglichen.
Es ist auch denkbar, solche Veranstaltungen regional zu vervielfältigen, als Popup in Leipzig, Dresden und Chemnitz, um einmal in Sachsen zu bleiben. Das schließt eine oder zwei große Messen nicht aus, bei denen die Branche ihr Business pflegt: Druckaufträge, Lizenzen, Übersetzungen und so weiter.
Versessen auf den Geruch von Papier
Aber die Leserinnen und Leser, sie suchen die Nähe der Verlage, das Gespräch mit Autorinnen und Autoren. Sie sind versessen auf den Geruch von Papier und auf dezentes Licht, das die Cover der Bücher so wunderbar zur Geltung bringt. Sie sind versessen auf die Ideen, Gedanken und Überraschungen, die zwischen den Buchdeckeln lauern. Das ist Schatzsuche, sie darf ruhig etwas versteckt stattfinden, an einem Ort mit angeschmuddeltem Charme.
Diese Leute brauchen keinen Glaspalast, keine überteuerten Tickets, keine gigantischen Messestände, für Unsummen hingeklotzt, um … – ja was denn, wofür eigentlich? Fürs Buch? Für die Leserinnen und Leser? Irgendwie war das Werk 2 am Connewitzer Kreuz in Leipzig ein besserer Ort. Und die Popup-Buchmesse richtig gelungen.
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