Buchmesse in Frankfurt: ohne Schwung, ohne Esprit
Eigentlich sollte die Buchmesse in Frankfurt das Ende der Coronakrise beschwören. Das Ende der Krise der Branche. Drei Hallen waren belegt, das digitale Programm wirkte müde. Aufbruch sieht anders aus – und steht nun als Aufgabe für Leipzig.
Die Frankfurter Buchmesse war ein Branchenmotor, und sie hat die Chance, London als Messeplatz auszustechen. Weil England die Europäische Union verlassen hat, dürfte die London Book Fair als Drehkreuz zwischen der Vielsprachigkeit in der EU und den großen englischsprachigen Märkten an Bedeutung verlieren.
Und Corona, natürlich. Die Pandemie machte persönliche Treffen unmöglich, das traf den Messeplatz hart. Nun, endlich, beinahe durchgeimpft, sind Messen wieder erlaubt. Die IAA Mobility fand im September in München statt, und vor zwei Wochen die Intersolar – ebenfalls in München.
Zwei erfolgreiche Messen als Vorbilder
Beide Messen waren große Erfolge, brachten ihr Fachpublikum auf die Beine. Denn die Experten und Akteure einer Branche bilden das Herz einer solchen Messe, auch wenn ein Lesefest durchaus hilfreich sein kann.
Doch die Leserin, der Leser, standen in Frankfurt noch nie im Mittelpunkt. Es ist eine B2B-Messe, da geht es ums Big Business von Verlagen, Literaturagenten, Rechteagenten, Filmgesellschaften und Druckereien.
Blutarm und ideenlos
Dass die Frankfurter Buchmesse im Oktober 2021 mit nur drei Hallen ins Rennen ging, ist angesichts der Corona-Einschränkungen verständlich. Man kann ja sagen: immerhin drei Hallen. Aber dass der Veranstalter derart blutarm und ideenlos agierte, hinterlässt Achselzucken.
Gähnende Leere in den Hallen, kaum Fachpublikum, Langeweile an den Messeständen. Erst als Leserinnen und Leserinnen Zutritt erhielten, kam etwas Leben in die Gänge.
Aber Big Business ist das nicht. Im Gegenteil: Es war der Messegesellschaft offensichtlich wichtiger, überzogene Hygieneregeln auf Teufel komm heraus durchzusetzen, als mit neuen Ideen und Formaten zu punkten.
Unsinnige Absperrungen, unfreundliche Ordner
Überall auf der Messe liefen die wenigen Besucher gegen unsinnige Absperrungen, wurden durch unfreundliche Ordnungskräfte ermahnt, Abstand zu halten, die Maske richtig aufzusetzen oder, oder, oder. Ein bisschen ging es zu wie bei der Abfertigung auf dem Flughafen.
Sogar im ARD-Medienzentrum, in dem gleichfalls Leere gähnte, wurde man mit Vorwurf in der Stimme belehrt. Dort war voll bestuhlt, als würden wie früher Tausende die Veranstaltung stürmen. Doch immer zwei Sitze waren mit roten Papierstreifen blockiert. Nur jeder dritte Stuhl war freigegeben für Gäste.
Saß man allein im Auditorium, rechts und links alle Sitze frei, vorn und hinten die Reihen auch, wurde man trotzdem belehrt:
Nur auf die freigegebenen Sitze! Setzen Sie sich bitte auf den nächsten Stuhl!
Aber es ist doch kein Mensch da!
Sie dürfen hier nicht sitzen! Das sehen Sie doch!
Hinten standen die Ordner in Gruppen, schwatzend und störend, dass es wirklich keinen Spaß machte. Das ist nur ein Beispiel, wie man Aufbruch vergeigen kann.
Die Stimmung stimmte nicht, es gab überhaupt keine Stimmung, sondern nur den kläglichen Versuch von Business as usual. Allein durch Corona lässt sich diese Pleite nicht erklären – oder entschuldigen.
Ein müder Wasserkopf
Offenbar tut sich die Frankfurter Messe sehr schwer, auf die Veränderungen in ihrem Kerngeschäft zu reagieren. Das war beispielsweise bei der ISH zu erkennen, der bislang weltgrößten Messe für Haustechnik. Sie findet traditionell im März statt, alle zwei Jahre. Corona hin, Corona her – mit digitalen Formaten oder neuen Ideen ist diese Fachmesse bislang gescheitert.
Gleiches nun auch bei der Buchmesse: Offenbar gelingt es nicht, kreative Ideen zu finden und umzusetzen, um das Buchgeschäft zu beleben. Dann, nur dann, hat die Messe eine Zukunft.
Denn nicht nur wegen Corona steht die Buchbranche vor enormen Veränderungen: Onlinehandel, digitale Formate, Social Media und Innovationen im Produktionsprozess lauten die Stichworte. Sie dokumentieren, dass es einer Pandemie nicht bedurfte, um den Wandel, der die Branche umtreibt, in ihre wichtigste Messe zu tragen.
Und es wird klar, dass es kein Business as usual mehr gibt – auch nicht nach Corona. Tschüss, Frankfurt! Mal schauen, ob Leipzig die Chance nutzt – vom 17. bis zum 20. März 2022.
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