Momella: Eine Farm in Afrika
Im Roman Nomaden von Laetoli beginnt Martin Andersons Reise durch Ostafrika am Mount Meru, auf einer alten Ranch – dem Camp der Archäologen. Von dort bricht er nach Laetoli auf, um die Frühmenschen zu suchen. Momella: Ein Ort der Legenden, von Margarete Trappe bis Hardy Krüger, von Francis Macomber bis zu Aaron Miller.
Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuße der Ngongberge. Damit beginnt Tanja Blixen ihren berühmten Report Afrika – dunkel lockende Welt, der um die Welt ging, später verfilmt mit Meryl Streep als Baronin Blixen und Robert Redford als Großwildjäger Denys Finch-Hatton. Eine Farm in Afrika nannte Hardy Krüger seinen Bericht aus Tansania, untertitelt Mein Momella.
Krüger kam Anfang der 1960er Jahre nach Ostafrika, für den Spielfilm Hatari! An der Seite von John Wayne mimte er einen Jäger, der Giraffen, Nashörner und Elefanten für Zoologische Gärten fing. Damals hieß das Land noch Tanganjika, es hatte gerade erst seine Unabhängigkeit erlangt – von den Briten, die das Terrain zwischen Indischem Ozean und Victoriasee im Ersten Weltkrieg übernommen hatten.
Eine alte Farm an den Seen
Die Filmcrew lagerte damals auf einer alten Farm an den Momellaseen, die heute zum Arusha Nationalpark gehören. Die Gebäude liegen am Fuße des eindrucksvollen Mount Meru, unweit des Kilimandscharo, dessen schneebedeckte Kappe gut sichtbar in der Ferne thront:
Der Kilimandscharo ist ein schneebedeckter Berg von 6.000 Metern Höhe und gilt als der höchste Berg von Afrika. Der westliche Gipfel heißt in Massai „Ngaja Ngai“, das Haus Gottes. Dicht unter dem westlichen Gipfel liegt das ausgedörrte und gefrorene Gerippe eines Leoparden. Niemand weiß, was der Leopard in jener Höhe suchte.
Diese Zeilen stammen aus Ernest Hemingways Erzählung Schnee auf dem Kilimandscharo, die 1936 erschien – und gleichermaßen verfilmt wurde (1952 mit Susan Hayward, Ava Gardner und Gregory Peck). Hemingways zweite Erzählung aus Ostafrika, Das kurze, glückliche Leben des Francis Macomber, spielt gleichfalls in diesem Gebiet.
Howard Hawks Hatari! nahm das Motiv der Großwildjagd wieder auf, brachte mehr Action hinein und landete Anfang der 1961 einen Kinohit. Mit Folgen, denn Hardy Krüger kaufte das verwaiste Anwesen. Die friedliche, blütenprächtige Farm an den Ufern der malerischen Seen erschien ihm wie das Paradies.
Hier hoffte der seinerzeit schon berühmte Schauspieler aus Berlin, eine Heimat zu finden. Glücklich, wer hier leben kann, notierte er in sein Tagebuch. Ich habe mich so in dieses Land verliebt, dass ich unbedingt einen Platz haben wollte, zu dem ich immer wieder zurückkommen kann.
Die legendäre Margarete Trappe
Die Farm am Fuße des Mount Meru hatte einst Margarete Trappe gehört, einer legendären Gestalt aus der Frühzeit der kolonialen Besiedlung durch deutsche Auswanderer. Margarete Trappe wurde auf einem Rittergut in Schlesien als Tochter des Landbesitzers geboren. 1906 wanderte sie mit ihrem Mann Ulrich Trappe nach Deutsch-Ostafrika aus, um eine Farm zu gründen. Zwischen 1909 bis 1927 gebar sie dort zwei Töchter und zwei Söhne, 1928 ließ sie sich von ihrem Ehemann scheiden – und blieb allein auf der Farm.
Margarete Trappe war zwar Farmerin, aber nebenher auch Jägerin und führte Jagdgesellschaften. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm sie die britische Staatsbürgerschaft an, um auf der Farm bleiben zu dürfen. Trappe war unter anderem mit Ernest Hemingway bekannt, ihr Sohn Rolf war ein Patensohn des Schriftstellers.
Die Kaffeefarm der Baronin Blixen
Zudem gehörte Margarete Trappe zum Kreis jener Frauen, die in Kenia und Tanganjika lebten und sich mit den eingeborenen Stämmen gut arrangieren. Trappe wurde aufgrund ihres besonderen Verhältnisses auch als „Mutter der Massai“ bezeichnet. Baronin Tanja Blixen, die weiter nördlich in der Nähe von Nairobi ihre Farm betrieb, galt als Kennerin der Kikuyu, die sie in eindrucksvollen Bildern malte.
Blixen war gebürtige Dänin, sie kam 1913 nach Nairobi, seinerzeit wichtigster Stützpunkt der Briten in Ostafrika. Ihr Anwesen war eine Kaffeeplantage, die aufgrund ihrer Höhenlage von 1.700 Metern über dem Meeresspiegel kaum etwas abwarf. Fast 17 Jahre lang versuchte Tanja Blixen, die Farm zu bewirtschaften, bis sie schließlich aufgab und nach Dänemark zurückkehrte. Dort schrieb sie den oben erwähnten Report, mit dem sie dem Großwildjäger Finch-Hatton – und Ostafrika – ein Denkmal setzte.
Ein amerikanisches Filmteam als Untermieter
Margarete Trappe hatte mehr Glück mit ihrer Farm. Durch alle Widrigkeiten der Jahrzehnte blieb sie dem Landstrich verbunden und starb 1957 auf der Momella Game Lodge. Drei Jahre später vermietete ihr Sohn Rolf das Gelände an Paramount Pictures, für die Dreharbeiten zu Hatari!
Noch während der Dreharbeiten habe ich dieses Gebiet gekauft, … ein Buschhotel, acht weiße Rundhütten, um das Farmhaus.
Hardy Krüger nutzte seine Popularität und den Erfolg von Howard Hawks Filmklassiker, um zahlungskräftige Touristen nach Tansania zu ziehen. Er hatte persönlichen Kontakt mit dem charismatischen Präsidenten Julius Nyerere, der seinerzeit zusammen mit dem Zoologen Bernhard Grzimek einen großen Nationalpark westlich des Mount Meru plante – die heutige Serengeti.
Zwischen seinen Filmaufträgen flog Krüger immer wieder nach Afrika zurück, wo seine Frau und seine beiden Kinder lebten (in zweiter Ehe), verbrachte viel Zeit mit dem Ausbau seines Buschhotels.
Ostafrika als Lehrmeister
1965 gelang ihm ein weiterer Kinohit: In Der Flug des Phönix spielte Krüger einen deutschen Ingenieur, der ein abgestürztes Flugzeug in der Sahara wieder in die Luft bringen will – an der Seite von James Stewart. In dieser Rolle zeigte er eine neue Qualität des Schauspiels, eine Tiefe, die er in Hatari! noch nicht auf die Leinwand gebracht hatte. Vielleicht war die Erklärung dafür in Momella zu suchen, wie er später sagte:
Afrika war für mich zum Lehrmeister geworden. Ich hatte ein ganz anderes Leben kennengelernt. Ich war ruhig geworden in Afrika.
Dauerhaftes Glück war ihm mit seiner Farm ebenso wenig beschieden, wie Baronin Blixen vier Jahrzehnte zuvor: 1973 ging die Momella Game Lodge pleite. Krüger stritt sich mit seinen Geschäftspartnern und wurde enteignet, die Farm ging an den Arusha Nationalpark über. 1983 bekannte er im Interview mit Joachim Fuchsberger:
Das Buschhotel, es wuchs immer größer und wuchs mir über den Kopf. Weil das bin ich nun überhaupt nicht, ich bin überhaupt kein Kaufmann.
Auch seine Ehe ging in die Brüche. Das schwierige Verhältnis zu seinen Kindern beschäftigte viele Jahre lang die Boulevardpresse. Nun, 93-jährig, ist Hardy Krüger im kalifornischen Palm Springs gestorben.
Eine interessante Dokumentation des ZDF aus dem Jahr 2018 zeigt als letztes Bild den Flughafen von Palm Springs, den der Hobbypilot Hardy Krüger bis zuletzt von seinem Anwesen aus im Blick hatte: … der Flughafen, mit der Möglichkeit, wieder schnell in die Welt hinauszuziehen.
Hardy Krüger hat uns mehr als 60 Filme und 20 Bücher hinterlassen. Hatari! und Eine Farm in Afrika – Mein Momella ragen aus dieser beeindruckenden Lebensfülle heraus. Das letzte Fernsehbild schließt den Kreis zu Hemingway, zum Schluss von Schnee auf dem Kilimandscharo:
Dann begannen sie zu steigen, und sie schienen nach Osten zu fliegen, und dann wurde es dunkel, und sie waren in einem Gewitter, und der Regen war so dicht, dass es schien, als ob man durch einen Wasserfall flog, und dann waren sie hindurch, und Compie wandte den Kopf und grinste und deutete vorwärts, und dort vor ihnen, so weit er sehen konnte, so weit wie die ganze Welt, groß, hoch und unvorstellbar weiß in der Sonne war der flache Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wusste er, dorthin war es, wohin er ging.
Der Beginn eines neuen Romans
Als ich im Jahr 2000 zum ersten Mal in Momella weilte, faszinierte mich die Nähe zu den höchsten Gipfeln Tansanias. Mich faszinierte das morgendliche Spiel des Lichts auf den Bergen: auf dem grauen, nackten Zackenkamm des Mount Meru und auf dem runden, weißen Haupt des Kilimandscharo, der nur selten aus den Wolken lugt. Die Seen waren klar wie Silber, mit zartrosa Flamingos auf dem Wasser wie Kupferkiesel, und die Giraffen traten ohne scheu bis an die dornigen Büsche vor der kleinen weißen Hütte, in der ich logierte.
In Momella ist es nicht so stickig und heiß wie in der Serengeti oder am Ngorongoro. Es ist nicht so überrannt wie die Hotels zwischen Arusha und dem Victoriasee, in den großen Nationalparks im Westen des Landes. Momella hatte eine eigene, versteckte Magie – still und wenig berührt. Damals kannte ich Krügers Buch noch nicht, auch die Geschichte von Margarete Trappe erfuhr ich erst später.
Das Camp der Archäologen
Aber so viel stand bereits damals fest: Es ist ein wunderbarer Ort. Hier entstand die Idee zu Nomaden von Laetoli. Ich wusste, dass Momella so etwas wie ein Anker sein würde, zumindest für den ersten Teil des Romans – als Camp der Archäologen. Von dort bricht Martin Anderson auf, um Aaron Miller in Olduvai zu treffen. Dorthin kehrt er zurück, um den kauzigen Professor zu beerdigen. Und um sich endlich selbst nach Laetoli aufzumachen, wo Miller die Frühmenschen gesehen hatte. Wo er sie leibhaftig getroffen hatte: eine kleine Familie, das Kind und zwei Erwachsene auf der Flucht vor dem Zorn der Vulkane …
Leseprobe aus Nomaden von Laetoli
Hörproben aus Nomaden von Laetoli