
Mit Peter Hacks in Ferropolis
Das Theater Provinz Kosmos tritt am 7. und 8. Oktober 2021 ab 19 Uhr am ehemaligen Tagebau bei Gräfenhainichen auf. Die Bühne ist gewaltig: Schaufelradbagger und andere Monstren des Kohlezeitalters. Die Schauspieler wagen sich an die Texte eines Träumers, der mit einem Bein in der Klassik und mit einem Bein im real existierenden Sozialismus stand.
Der Dramatiker Peter Hacks, Ende der 1980er Jahre beinahe zur Legende erstarrt, war ein seltsamer Vogel. Ein Theatervogel, der früh im Umfeld von Brecht seine ersten künstlerischen Meriten erwarb. Neben Bertolt Brecht, Heiner Müller und Ulrich Plenzdorf war Peter Hacks jedem in der DDR (und im Westen) ein Begriff, der sich fürs Theater interessierte.
Berühmt war sein Stück Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe. Das wurde beiderseits der deutsch-deutschen Grenze viel gespielt. Eingeordnet als sozialistische Klassik, galt es bei den Kulturobrigen als wundervolle Brücke zum Autor des Faust, der in der DDR gleichsam als Gründervater der sozialistischen Erziehungsdiktatur fungierte: Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn …
Vom Staub der Jahrhunderte belastet
Peter Hacks, der ein sehr umfangreiches Werk an Stücken, Essays und Lyrik hinterließ, löste sich durch seinen Hang zur Klassik aus dem Schatten Brechts. Der Großmeister der sozialistischen Bühne hatte mit dem klassischen Ideal des Theaters gebrochen, wollte überkommene Strukturen zerschlagen.
Hacks hingegen fand dorthin zurück. Das machte seine Stücke manchmal schwierig, da sie verstaubt daherkamen, vom Staub der Jahrhunderte belastet. Für junge Leute war das Gespräch im Hause Stein ungefähr so attraktiv wie Faust als Pflichtliteratur in der Schule. Schnee von gestern.
Trauer um den idealen Sozialismus
Hacks pflegte ein romantisches, wenn nicht sentimentales Verhältnis zur realen Lebenswelt des Sozialismus. Bis in seine späten Jahre lobte er die Genossen Ulbricht und Stalin und trauerte dem idealen Sozialismus nach – wie der Bücherwurm den guten alten Zeiten von Goethe und Schiller.
Der kommunistische Schriftsteller Friedrich Wolf, der vor dem Zweiten Weltkrieg mit Stücken wie Matrosen von Cattaro, Professor Mamlock oder Cyankali berühmt wurde, bezeichnete seinerzeit die Kunst als Waffe. Dagegen setzte Hacks, wenn auch vierzig Jahre später – geschrieben im Jahr 1971:
Eingestandenermaßen ist die Kunst eine Waffe. Eingestandenermaßen ist ein Holzhammer eine Waffe. Nach Aristoteles folgt hieraus nicht, daß die Kunst ein Holzhammer sein müsse. Es folgt eher, daß die Kunst eine um so bessere Waffe sei, je bessere Kunst sie ist.
Peter Hacks betrachtete die Kunst als hohes Handwerk, ein Gut, das sich niemals kurzfristiger Unterhaltung des Publikums opfern dürfe. Er litt am Zeitgeist, und seine mondäne Wohnung in der Schönhauser Allee im Prenzlauer Berg wirkte wie ein Museum, überladen mit gutbürgerlichen Möbeln und Bildern.
Nach der Wende verschwand Hacks faktisch in der Versenkung, zog sich als grummelnder Purist aufs Altenteil zurück. Ein bisschen trauerte er der DDR hinterher, hatte sie ihm doch ein einträgliches Leben als Dramaturg beschert.
Konflikte vermieden
Anders als Heinar Kipphardt hat Peter Hacks seine Themen auf klassische Weise geschliffen. Das zeugte von der hohen Qualität seiner Bildung und seiner Auffassung von Theater. Es zeugt aber auch von der Scheu, offen in den Konflikt zu gehen – zum Beispiel mit der Obrigkeit, die den hehren Sozialismus derart verschluderte.
Während Kipphardt mit seinem faktisch dokumentarischen Stücken (Bruder Eichmann, In der Sache Robert J. Oppenheimer) die politische und moralische Auseinandersetzung suchte, floh Hacks in die Sphäre des Feingeistes. Er stellte die Allmacht der sozialistischen Diktatur nie in Frage, Panzerkreuzer Aurora blieb unantastbar.
Deshalb hielt er es in der DDR gut aus, war nicht gezwungen, in den Westen zu gehen. Er war ein Opportunist, politisch und künstlerisch gesehen. Aber er war es auf beeindruckende Weise – ein ziemlich störrischer Opportunist.
Zeitlos wie Shakespeare?
Dass sich das Theater Provinz Kosmos nun seiner Texte annimmt, ist spannend. Denn Peter Hacks hat großartige Stücke in die Welt gesetzt. Vielleicht klingen sie heute wie aus einer versunkenen Welt, aber vielleicht retten sie vor allem der klassische – zeitlose – Bezug, der aus ihnen schimmert.
Wie Shakespeare – den Hacks sehr verehrte – alle politischen Irrungen und Wirren überstanden hat, weil die Substanz humanistisch ist, so bleibt auch das Werk von Peter Hacks lesenswert und aktuell – wo es den real existierenden Sozialismus hinter sich lässt, wo es uralte Träume neu entdeckt und des Pudels Kern offen legt.
Mehr zu den beiden Terminen im Oktober finden Sie hier.
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