Konichiwa – Samurai mitten in Berlin
Verstörend fremd, spannend und lehrreich: Die Samurai-Sammlung von Peter Janssen vereint exotisches Handwerk, tiefe Einblicke in die Kriegerkaste Japans und in die Philosophie des Budo. Ein magischer Fluchtpunkt im heißen Sommer, ohne die Stadt verlassen zu müssen.
Peter Janssen hat sein Geld mit Baufirmen gemacht. Nebenbei hat der heute 71-Jährige einen schwarzen Gürtel in Karate erworben und dreißig Jahre lang historische Artefakte über die Samurai und das mittelalterliche Japan gesammelt.
Wer Karate, Judo oder Aikido betreibt, weiß: Das wirst du nie mehr los, dieses Interesse an der schillernden Kultur des Reichs der aufgehenden Sonne.
Janssen hat die Zeugnisse der Samurai systematisch gesammelt, mit großer Sachkunde, und sicher auch mit dem nötigen Kleingeld. Seine Sammlung hat einen herausragenden Ruf, und das Museum präsentiert sie auf sehr spannende, unterhaltsame und zugleich lehrreiche Weise.
Neuer Nachbar für Clärchens Ballhaus
Nun hat die einzigartige Kollektion ein eigenes Museum bekommen, in der Auguststraße in Mitte, schräg gegenüber von Clärchens Ballhaus. Seit dem Frühjahr dieses Jahres werden dort rund tausend Exponate präsentiert, darunter vierzig vollständige Rüstungen, 200 Helme, 150 Masken, 160 Schwerter und unzählige, teilweise erstaunliche Stücke über die gefürchtete Kriegerkaste.
Die Elite des Kaiserreichs
Seit dem frühen Mittelalter bis zur Meiji-Restauration im Jahr 1868 stellten die Samurai die Elite des Kaiserreichs, das bis dahin weitgehend isoliert blieb. Die Samurai traten zunächst als Diener ihrer Herren in die Geschichte ein, in deren Verlauf sie zu Kriegern aufstiegen, die Adel und Thron stützten.
Nur den Samurai war es erlaubt, Schwerter zu tragen. In Japan werden sie als Bushi bezeichnet. Herrenlose Samurai nennt man Ronin.
Wichtigste Privilegien verloren
Erst in der Mitte des 19. Jahrhundert begannen die zögerliche Öffnung und der steile Aufstieg Japans zur ersten Industriemacht Asiens. Die Modernisierung wurde nur gegen den Widerstand der Samurai möglich, die ihre wichtigsten Privilegien verloren. Deshalb verschwanden sie aus der japanischen Gesellschaft, wie Ritter und Raubritter aus Europa verschwanden.
Sehr alte Artefakte
Die ältesten Artefakte in Janssens Sammlung gehen auf die Kofun-Zeit zurück, ins früheste Mittelalter, etwa zwischen den Jahren 300 und 538 nach Christus datiert. Das Gros der Sammlung vereint Objekte aus dem späteren Mittelalter und der frühen Neuzeit zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert.
Drei Rüstungen aus der Edo-Zeit
Als besonders Kleinodien bezeichnet das Museum drei Rüstungen aus der Edo-Zeit (1603 bis 1868), als in Japan die Shogune regierten. Nach der Schlacht von Sekigahara übernahmen die Fürsten des Tokugawa-Clans die Macht, die sie bis zur Regentschaft des Kaisers Meiji nicht mehr aus der Hand gaben.
Bekannt ist diese historische Zeit durch den Roman Shogun von James Clavell, durch das Buch Gorin no sho (Buch der Fünf Ringe) des Ronin Miyamoto Musashi und die Filme des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa. Bezug auf diesen Abschnitt der japanischen Geschichte nimmt der Film Ghost Dog – Der Weg des Samurai von Jim Jarmusch, in dem der Samurai-Kodex Hagakure eine wesentliche Rolle spielt.
Gute Einblicke geben zahllose Kinostreifen, wobei die Filme über den blinden Samurai Zatoichi von und mit Shintaro Katsu oder Takeshi Kitano besonders sehenswert sind. Ein cineastisches Bonbon ist zweifellos Die blinde, schwertschwingende Frau von Regisseur Sadatsugu Matsuda. Szenen aus einigen Filmen werden im Museum gezeigt.
Besonderes Augenmerk liegt auf Klingen
Besonderes Augenmerk der Sammlung liegt auf der mittelalterlichen Schmiedekunst, auf den Klingen von Meistern aus dem elften bis 14. Jahrhundert. Daneben werden Skulpturen, Malereien, ein echtes No-Theater und ein Teehaus vorgestellt, mit Utensilien der Teezeremonie.
Sehr eindrucksvoll ist der Anblick der Masken, wie sie von den Schauspielern in No-Stücken verwendet werden. Neben der Dauerausstellung über die Samurai sind wechselnde Präsentationen zu verschiedenen Themen der japanischen Kultur geplant.
Spannende Kulturgeschichte
Der Besuch war eine echte Entdeckung. Man muss kein Liebhaber der japanischen Kultur sein, um sich auf diese modern gestaltete Ausstellung einzulassen.
Ein bisschen Zeit, ein bisschen Fantasie – und der Besucher reist Jahrhunderte zurück, um den halben Erdball nach Osten, taucht in eine reizvolle, exotische Welt. So spannend kann Kulturgeschichte sein. Arigato, gosaimas!
Website des Samurai Museum Berlin
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