Isabelle Schad WITH: Tanz drucken, Tanz beschreiben
Neuerdings passt die Tanzbrigade der Berliner Choreografin zwischen zwei Buchdeckel. Kurz vor Jahresende erschien eine Werksschau, die zehn Jahre überblickt. Die zahlreichen Projekte füllen viel mehr als nur Seiten aus Papier. Eine Empfehlung.
Sie arbeitet mit Solistinnen und Solisten, choreografiert Gruppen oder steht selbst auf der Bühne: Mittlerweile ist Isabelle Schad ein feststehender Begriff der Berliner Tanzszene.
Weit über die Grenzen der Stadt hinaus hat sie sich einen Namen gemacht und zahlreiche Preise eingeheimst. Ihre fein ausgearbeiteten Projekte bieten eigene Ästhetik, aus Körpersprache und Bewegung.
Der Kontrast von hell und dunkel
Kontraste spielen eine große Rolle: Helle Leiber vor dunklem Hintergrund, entblößt von störender Bekleidung, vom bewegten Einzelakt zum wimmelnden Gruppenbild, eigenem Rhythmus folgend, verblüffende Mechanik von Armen, Beinen, Händen, Füßen, Köpfen und Haar.
Nun erschien eine gedruckte Werksschau, die einen schönen Überblick über die vielfältigen Arbeiten ihrer Künstler und Gruppen bietet. Schön, weil die Bildsprache der großformatigen Fotos die typische Ästhetik von Schads Bühnenarbeiten aufnimmt und komprimiert.
Eine Idee aus kargen Zeiten
Tanz zu drucken, ist so schwer, wie über Tanz zu schreiben. Hier geht es lediglich um den Katalog, nicht um die Arbeiten auf der Bühne. Die Idee zur Monografie entstand in kargen Zeiten, als Corona die Tanztheater schloss. Dass der Katalog schließlich vollendet wurde, zeugt vom Durchhaltewillen der Künstlerin, ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Das Buch ist ein Gewinn. Es ergänzt die Präsenz auf der Bühne durch eine spannendes Schau ihrer Choreografien aus dem vergangenen Jahrzehnt. Entstanden ist eine gelungene Mischung aus Fotos und Texten. Nicht nur das Auge wird gefüttert, auch das Hirn.
Wer die Arbeiten Isabelle Schads nicht kennt, wird durch das Buch inspiriert. Daran besteht kein Zweifel. Und für alle, denen ihre Stücke bereits vertraut sind, dürften Bilder und Beschreibungen die bestehenden Eindrücke vertiefen.
Kollektive Kreativität als roter Faden
Besonders auffällig ist der Gedanke von kollektiver Kreativität. Einem roten Faden gleich durchzieht er das Buch und die darin vorgestellten Projekte. Der Titel Isabelle Schad WITH umreißt den Anspruch der Choreografin, die sich stets als Teamplayer begreift. Früher hätte man Volkskunstkollektiv gesagt oder eben Tanzbrigade. Das ICH tritt hinterm WIR zurück, in aller Bescheidenheit.
So gerät die Werksschau ein Stück weit zum Brigadetagebuch, wird lebendig, denn es stellt den Schaffensprozess in den Mittelpunkt. Vordergründig geht es nicht um die schlussendliche Präsentation auf der Bühne, sondern um die fortwährende Ausgestaltung der Choreografien in der Gruppe. Manchmal besteht das Team nur aus ihr selbst und/oder einer Solistin. Manchmal schweben zwanzig Künstlerinnen und Künstler durch den Saal.
Die Liste der Mitwirkenden ist lang, sehr lang. Dennoch erscheint der Katalog aus einem Guss. Wohltuend: Alle Texte liegen auf Deutsch und Englisch vor. Freilich, die erstklassigen Fotos brauchen keine Übersetzung.
Denn Schads choreografischer Stil wird weltweit verstanden, auch ohne Worte. Kurzes Fazit: Tanz drucken, Tanz beschreiben – dieses schwierige Unterfangen ist mehr als gelungen.
Isabelle Schad WITH
Sprache: Englisch und Deutsch
280 Seiten, Preis: 28 Euro
ISBN 978-3-00-073919-4
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