Emily Carr: Dasein im Schoß der Wildnis
Tea, Toast & Trivia: Clanmother Rebecca Budd war in Victoria unterwegs, an der Südspitze von Vancouver Island. Im Beacon Hill Park wandelte sie auf den Spuren der kanadischen Malerin und Schriftstellerin Emily Carr. Lange bevor kulturelle Vielfalt und Ökologie en vogue wurden, ließ sich Carr von indianischer Kunst und dem Respekt vor der Natur inspirieren. Eine echte Entdeckung – typisch Kanada.
Rebecca Budd aus Vancouver hat eine neue Entdeckung präsentiert. Dieses Mal nicht als Podcast, sondern als wunderschön gemachtes Video. Sie besuchte den Beacon Hill Park in Victoria, der das südliche Ende von Vancouver Island markiert.
Dort weilte sie im James Bay Inn von Emily Carr, die in Beacon Hill ein kleines Gasthaus betrieb. In Deutschland ist Carr weitgehend unbekannt, in Kanada hingegen gehört sie zum Allgemeingut.
Ein Sprung zur anderen Seite der Erde
Das Video setzt das historische Gebäude, den wundervollen Park und eindrucksvolle Passagen aus Emilly Carrs Autobiografie stimmungsvoll ins Szene, unterlegt mit traumhafter Musik. So gelingt ein aufregender Sprung über den Großen Teich, zur anderen Seite der riesigen amerikanischen Landmasse, an die Küste des Pazifik.
Und eine literarische Entdeckung für jeden, der sich gern auf die Socken macht. Emily Carr wurde 1871 in Victoria geboren, der Hauptstadt der westlichsten Provinz Kanadas, von British Columbia. Sie starb im März 1945, gleichfalls in Victoria.
So umreißt ihre Lebenszeit die Spanne von der Gründung des Deutschen Reiches in Versailles bis zum Untergang Hitlers – vor völlig anderem historischen und kulturellen Hintergrund.
Galerie in der Scheune ihres Elternhauses
1890 begann sie, in San Francisco Kunst zu studieren. Drei Jahre danach kam sie nach Victoria zurück, baute in der Scheune ihres Elternhauses eine kleine Galerie auf und unterrichtete Kinder.
1899 zog sie nach London, um an der Westminster School of Art ihr Talent zu schulen. Auch in Cornwall, in Bushey und in Hertfordshire widmete sie sich der Malerei. Im Jahr 1905 kehrte sie nach Westkanada zurück, um bei Indianern Alaskas und der kanadischen Pazifikküste zu leben.
Vom Impressionismus beeinflusst
Fortan dokumentierte sie deren Leben in ihren Bildern. Sie zeichnet die Totempfähle der Indianer an der Nordwestküste, beispielsweise der Haida, der Kwakiutl, der Nootka und der Stämme der sogenannten First Nations.
1910 reiste sie nach Paris, um sich mit neuen Strömungen der europäischen Malerei vertraut zu machen. Dazu gehörten die Techniken und Gemälde von Henri Matisse und Pablo Picasso. Beeinflusst von den Impressionisten, änderte sie ihren Stil, malte in Kanada jedoch weiterhin indianische Motive.
Einsatz für die Indianer der Nordwestküste
Ihre Arbeiten erregten zunehmend Aufmerksamkeit, sie wurde zu Ausstellungen eingeladen. Außerdem setzte sich Emily Carr dafür ein, die Ureinwohner Kanadas als vollwertige Bürger und Teil der kulturellen Identität des Landes anzuerkennen.
Damals waren die Indianer nicht einmal wahlberechtigt, viele ihrer Rituale offiziell verboten. Indianische Kinder wurden in kirchlich geführten Heimen gedemütigt und missbraucht.
Tiefes Verständnis für die Natur
Emily Carr wurde als Künstlerin immer bekannter, blieb allerdings in ihrer Heimat Victoria bis zu ihrem Lebensende unverstanden – vor allem, was ihr Engagement für die indianische Bevölkerung betraf. Als Gastgeberin führte sie das James Bay Inn und zog sich aus dem öffentlichen Leben weitgehend zurück.
Ihre Malerei und ihre Schriften sind von tiefem Verständnis für die Natur und naturnahe Lebensweise durchdrungen. Ihr Grabstein trägt die Aufschrift: Artist and Author – Lover of Nature.
Zur Schullektüre erkoren
Heute gilt Emily Carr als herausragende Künstlerin Kanadas. Ihr Erzählband Klee Wyck über ihre Erfahrungen mit den Indianern wurde zur Schullektüre erkoren. Die frühere Vancouver School of Art firmiert heute als Emily Carr University of Art and Design.
Lust auf mehr? Dann hören Sie rein (in englischer Sprache):
Emily Carr & James Bay Inn – A Reflection (9:30 Min.)
Website von Tea, Toast & Trivia
Mehr von Tea, Toast & Trivia auf Eglunds Blog:
Podcast: Zeitreise in den Dunkelwald – mit H.S. Eglund
Podcast: Kommunikation ist keine Kunst – oder doch? (mit Eglund)
Podcast: Hässlichkeit weitet Horizonte (mit Klausbernd Vollmar)
Podcast: Über Schönheit in Natur und Kunst (mit Klausbernd Vollmar)
Podcast: Die Robben von Blakeney Point (mit Hanne Siebers)