Lektüre im Lockdown: Erinnerungen von Adolf Goetzberger erschienen
Der Physiker und Professor hat 1981 das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg gegründet. Er hat es gegen starke Widerstände verteidigt und ausgebaut. Interessant sind sein Lebensweg und seine Motivation - die Quelle seiner Beharrlichkeit.
Der Landesverband Franken der DGS hat ein spannendes Büchlein herausgegeben: die Memoiren von Prof. Dr. Adolf Goetzberger, dem Gründer und ersten Chef des Fraunhofer ISE in Freiburg. Genau vierzig Jahre nach der Gründung des weltweit ersten Forschungsinstituts zur Sonnenenergie – und nach wie vor eines der wichtigsten – liest sich die Entstehungsgeschichte nicht nur als spannender Rückblick.
Nicht mit Erreichtem zufrieden
Das Buch zeigt, wie wichtig engagierte Persönlichkeiten sind, die sich nicht mit Erreichtem zufrieden geben. Die nach vorn blicken, über den Tellerrand hinaus, und die in der Wissenschaft die Schaltstellen erobern, um wichtige Weichenstellungen durchzusetzen.
Adolf Goetzberger (Jahrgang 1928) arbeitete als junger Physiker unter William Shockley, dem Erfinder der gleichnamigen Diode und Wegbereiter der Transistortechnik. Shockleys Labor in der Nähe von Palo Alto in Kalifornien gilt als Keimzelle des späteren Silicon Valley.
Am Beginn des Silicon Valley
So hat Adolf Goetzberger die frühen Anfänge der Siliziumbranche und der Chipindustrie mitgemacht und mitgestaltet. Das war dem Sohn von Tabakhändlern aus München nicht in die Wiege gelegt. Im Krieg bekam er ein Physikbuch in die Hand, das ihn inspirierte.
Seine Karriere als Physiker begann er bei Walter Gerlach in München, einem der Begründer der Quantenmechanik. Er promovierte und ging in die Industrie, zu Siemens, um Transistoren auf der Basis von Germanium zu entwickeln. Die ersten Prototypen waren von Shockley und seinem Team in den USA erfunden worden.
Bekannte und legendäre Namen
Wir wollen an dieser Stelle nicht nacherzählen, welche Stationen der höchst interessante Lebensweg von Adolf Goetzberger durchlief. Spannend sind die menschlichen Begegnungen mit bekannten Namen, einige davon Nobelpreisträger, viele legendäre Gestalten der Halbleitertechnik und der Solarenergie.
Spannend ist der Abschnitt, den Goetzberger seiner Rückkehr nach Deutschland widmet, nun bereits ein anerkannter Experte. Mit 50 Jahren – andere räkeln sich in ihren Sesseln für den Ruhestand zurecht – nimmt er sein wichtigstes Projekt in Angriff: die Gründung eines Forschungsinstituts zur Solarenergie, das heutige Fraunhofer ISE.
Heute hat das ISE mehr als 1.100 Mitarbeiter
Gegen enorme Widerstände gelang es ihm, das Institut 1981 aus der Taufe zu heben. Es war das erste außeruniversitäre Solarforschungsinstitut in Europa. Frühe Themen waren der Fluoreszenzkollektor Fluko, eine transparente Wärmedämmung sowie Solarzellen aus Silizium und II-V-Verbundhalbleitern, Dünnschichtzellen sowie die Herstellung von preiswertem Solarsilizium. Im Jahr 1983 wurde am ISE der erste Wechselrichter für die Photovoltaik entwickelt.
Als Goetzberger 1993 in den Ruhestand ging, hatte das ISE 250 Mitarbeiter. Sein Nachfolger Joachim Luther, der es bis 2005 führte, verdoppelte die Zahl der Forscher. Unter der Ägide von Eicke Weber überschritt die Zahl der Mitarbeiter die Grenze von tausend. Heute hat das Institut mehr als 1.100 Mitarbeiter und mehr als 83 Millionen Euro Jahresbudget.
Einer der wichtigsten Akteure der solaren Energiewende
Zurück zum Gründer: Adolf Goetzberger hat nicht nur das Fraunhofer ISE aus der Taufe gehoben. Er war einer der wichtigsten Akteure der solare Energiewende in Europa, viele Jahre lang Präsident der International Solar Energy Society und der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie. Der Physiker hält mehr als 30 Patente. Die Liste seiner Auszeichnungen und Ehrungen ist beinahe unüberschaubar.
Auch nach seiner Pensionierung im Jahr 1994 beschäftigt sich Goetzberger noch mit Solartechnik, faktisch bis heute. Zwar hat er das Büro in „seinem“ Institut geräumt und sich ins Private zurückgezogen. Dort darf er zum Beispiel erleben, wie eine seiner frühesten Ideen – die Agri-PV – nunmehr Realität wird.
Die Lebenserinnerungen von Professor Goetzberger sind eine kurzweilige und sehr informative Lektüre. Sie bieten den Rückblick auf viele Jahrzehnte im Dienst der Energiewende, im Dienst der Sonnenenergie. Sie lassen ahnen, was möglich ist, wenn man sich einer guten und sinnvollen Aufgabe widmet.
Adolf Goetzberger: Mein Leben – Ein Leben für die Sonne und wie es dazu kam
ISBN 978-3-933634-47-4, 1. Auflage 2021, 138 Seiten
Preis: 20,00 Euro (D), 20,60 Euro (AT), 23,30 SFr (CH)
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