Tipp: Wandern im Paznaun
Das Paznaun in Tirol gilt als Mekka der Skifahrer. Sobald Schnee liegt, stauen sich lange Warteschlangen vor den Restaurants, an den Parkplätzen und Seilbahnen. Die Pisten sind übervölkert und die Zufahrten dicht, von morgens bis spät in die Nacht. Dagegen im Sommer: fast leer, still und wunderschön.
Das Paznaun erstreckt sich von Landeck bis zur Silvretta-Gruppe im Westen. Nördlich des langgestreckten Tals ragt die Verwallgruppe auf, südlich – auf der Schweizer Seite – das Unterengadin mit der Silvretta und der Samnaungruppe. Höchster Berg ist das Fluchthorn mit 3.399 Metern.
Wie eingezängt windet sich die Talstraße entlang reißender Fluten, die das Schmelzwasser aus den Bergen in tiefere Gefilde bringen. Unzählige Bäche und Wasserfälle sammeln sich zur Trisanna, die schäumend durch die Talenge schießt.
Große Schneefelder auf den Höhen
Noch im Hochsommer ist das Wasser aus den Bergen klar und eisig, denn bis in den August und den September halten sich die großen Schneefelder auf den Höhen. Tausende Rinnsale unterm Eis sickern gen Tal, vereinen sich, bilden Rinnen, Gräben, Bäche. Über den weiten Almen ist das gurgelnde Wasser oft das einzige Geräusch, abgesehen vom Wind und dem Geschrei der Vögel.
Im Winter deckt der Schnee die Gräben, Wiesen und Spalten zu, legt sich als meterdicker Mantel des Schweigens über die Berge und das Tal. Doch die Stille dauert nicht lange, ab November stauen sich die Autos auf der 188, der Zufahrt von Landeck. Dann ziehen die Skitouristen in die Hotels ein, die während der warmen und heißen Monaten nahezu leer standen, drängend brüllend und johlend auf die Almen und die Pisten.
Ballermann bei Minusgraden
Am schlimmsten ist es in Ischgl: In dem sommers verschlafenen Ort tobt der quietschende, kreischende und qualmende Skizirkus. Ballermann klappt nicht nur auf den Sonneninseln des Mittelmeers, das geht auch bei minus zwanzig Grad und mannshohem Schnee.
Dafür ist das Paznaun bekannt: für den winterlichen Skitourismus. Von Innsbruck und Landeck kommend, reihen sich die Gastorte wie Perlen auf der Kette der Trisanna: Tobadill, See, Kappl, Ischgl und Galtür, am höchsten gelegen, kurz vor dem Übergang zur Silvretta-Gruppe und zum Montafon im Westen.
Jede Jahreszeit hat ihre Schönheit, vor allem in den Bergen Tirols. Doch Zigtausende Skiläufer, die jeden Winter über die Pisten herfallen wie klamme Heuschrecken, kennen die schönsten Seiten des Paznaun nicht. Im Sommer, wenn die dicken Schneepanzer auf den Almen und Gipfeln langsam abgetaut sind und die Wiesen in voller Blüte stehen, zeigt sich dieser Teil der Alpen von seiner besten Seite: still, beinahe menschenleer und wunderschön.
Reines Labsal
Denn die Hotels, Pensionen und Gasthöfe stehen nahezu unbenutzt. Nur wenige Reisende verirren sich hierher, obwohl die Berge gerade im Sommer sehr gut zu erwandern sind. Die Straßen sind frei, keine Lawine droht, und das klare, frische Bergwasser bietet reines Labsal.
Unser Tipp ist das Paznaun im Sommer. Freilich, es kann heiß werden, brütend. Im vergangenen Juli kletterten die Thermometer in Innsbruck auf über vierzig Grad Celsius. In See und Ischgl herrschten rund fünfunddreißig Grad, und in zweitausend Meter Höhe auf der Medrigalm waren es noch gut dreißig Grad.
Das muss man beim Wandern beachten, denn schnell läßt man die Baumgrenze hinter sich. Dann ist Schatten rar, dann helfen die eisigen Bergbäche, an denen man kühl ausruhen kann.
Vorteile der Silvretta Card
Vorteilhaft: Die Wege über die Almen sind in der Regel gut gekennzeichnet. Gastliche Berghütten laden ein, um die harten Muskeln zu massieren. Und die Seilbahnen laufen auch im Sommer, um die Gäste aus und ins Tal zu bringen.
Zudem gibt es im Paznaun die Silvretta Card. Wer eine Unterkunft im Tal bucht, bekommt sie direkt von den Gastgebern ausgestellt. Auf Wunsch kann man schon vor Reisebeginn einen Voucher für die Hochalpenstraße durch die Silvretta erhalten, um bei der Anfahrt von Westen die Mautgebühren zu sparen.
Die Card erlaubt die kostenfreie Nutzung der öffentlichen Busse, die regelmäßig von Landeck bis zum Kopssee und zur Bielerhöhe fahren. Zudem sind alle Seilbahnen, Museen und Bäder inklusive, ebenso der kleine, feine Badeteich im Dorf See, das Hallenbad in Galtür und das Freibad in Ischgl.
So wird der Aufenthalt vor allem für Familien und Rentner erleichtert. Faktisch bleibt das Auto drei Wochen an der Unterkunft stehen, denn mit Bussen und Seilbahnen sind alle interessanten Ecken im Paznaun gut erreichbar.
See ist ein guter Ausgangspunkt
Als Ausgangspunkt bietet sich das Dorf See an. Dort geht es noch nicht so steil und unvermittelt zu den Bergen hoch wie in Kappl oder in Ischgl. See bildet faktisch den Eingang zum Paznauntal. Die Bergbahn führt zur Medrigalm hoch, ein Almgebiet, das sich bis zum Medrigkopf in 2.450 Metern Höhe erstreckt.
See hat rund 1.300 Einwohner, und fast alle leben vom Tourismus. Im Sommer ist es überhaupt kein Problem, eine gute Unterkunft zu finden. Sportapart Schweighofer etwas außerhalb vom Ortskern bietet einen kühlen Pool, was im heißen Sommer sehr erfrischend ist.
Zudem reicht der Blick von der Anhöhe bis weit ins Tal hinein, man sieht die mitunter sehr heftigen Sommergewitter meist rechtzeitig heranfliegen. Die Gastleute sind freundlich, kundig und hilfsbereit. Die Bushaltestelle liegt um die Ecke, und das Seebad nebst Bergbahn nur einen Steinwurf entfernt.
Zentrum in Ischgl
Der nächste größere Ort ins Tal hinein ist Kappl, mit 2.600 Einwohnern die größte Gemeinde im Paznaun. Es folgt Ischgl, das 1.600 Einwohner hat. Im Winter werden hier Zigtausende Skitouristen durchgebracht, der kleine Ort bietet mehr als 10.000 Gästebetten.
So ruhig wie in See ist es hier nicht, obwohl im Sommer kaum etwas los ist. Dann mutet der Ort an wie eine entseelte Puppenstube. Das Skigebiet, die Silvretta Arena“, ist verwaist, allerdings gerade deshalb von bezeichnender Schönheit.
Die Seilbahnen führen über die Idalp und den Flimsattel zur Schweizer Seite, dort hinunter bis fast nach Samnaun. Es ist mit 240 Kilometern Piste und 45 Liftanlagen eines ger größten Skigebiete der Alpen, obendrein gilt es als außerordentlich schneesicher.
Die Spuren des Rummels
Die Wintersaison beginnt Ende November und dauert bis Ende April. Zum Start der Saison und zu ihrem Ende gibt es dort oben sogar Popkonzerte mit internationalen Stars. Was da abgeht, verdeutlicht diese Zahl: Alle Bergbahnen in Ischgl können pro Stunde rund 90.000 Menschen befördern, den Berg rauf und wieder runter.
Dieser Rummel geht an den Bergen nicht spurlos vorüber. Wenn der Schnee weggetaut ist, kann man auf der Idalp sehr gut sehen, wie Erosion und Übernutzung ihren Tribut fordern. Dort zu Wandern, macht nicht halb so viel Freude wie auf der Medrigalm oder der Veringalm von See, wo die Wiesen noch intakt und die Hänge unverwundet sind. Auch wenn es freilich beschwerlicher ist, und manchmal ein stürzender Bergbach den Pfad weggerissen hat. Dann gibt es keinen anderen Weg, als durch das reißende Wasser hindurch.
Die prachtvolle Vielfalt der Almwiesen
Unmittelbar nach Ischgl kommt das touristische Vorwerk von Mathon, das zur Gemeinde Ischgl gehört. Mathon bietet einen hübschen Wildtierpark, vor allem im Sommer einen Ausflug wert. Anschließend windet sich die Talstraße 188 nach Valzur, das bereits zu Galtür gehört. Das Skigebiet ist kleiner als in Ischgl, deutlich kleiner, und es schwingt sich von 1.635 Metern bis auf knapp 2.300 Meter auf. Von dort kann man sogar über die Bielerhöhe ins Montafon abfahren.
Im Sommer bietet die Bergwelt von Galtür mehr als 250 Kilometer Wege zum Schlendern, Wandern oder Nordic Walking. Fünf Schutzhütten, vier Almen und zwei Gasthöfe erlauben Pausen und Verpflegung unterwegs.
Westlich schließt sich der Kopssee an, südwestlich die Bielerhöhe mit dem Silvretta-Stausee, selbst lohnenswerte Ziele zum Wandern. Von dort geht es mit dem Bus oder dem Bike ins nordwestlich gelegene Montafon oder gen süden in die Schweiz. Der Wanderweg vom Kopssee an den Almen des Muttelberges entlang bis nach Galtür bietet die Fülle und prachtvolle Vielfalt der Almwiesen.